Mittagessen mit Krishna

STREETFOOD Zweimal am Tag verteilt Hare Krishna in London Essen. Kostenlos. Dabei werden Müsli und Mungbohnen ayurvedisch neu komponiert

■ eine Tasse Mungbohnen

■ eineinhalb Tassen Langkornreis

■ ein halber Blumenkohl, gewaschen und zerkleinert

■ drei Esslöffel Ghee oder Öl

■ zwei Teelöffel Kümmelsamen

■ vier mittelgroße Tomaten, gewaschen und geviertelt

■ zwei frische Pfefferschoten, mit Samen, zerhackt

■ zwei Teelöffel frischer Ingwer, klein geschnitten

■ ein Teelöffel germahlener Kümmel

■ ein halber Teelöffel Asafoetida-Pulver

■ sieben Tassen Wasser

■ zwei Teelöffel Salz

■ ein halber Teelöffel Kurkuma

■ vier mittelgroße Kartoffeln, gewaschen, geschält und in Würfel geschnitten

■ drei Esslöffel Zitronensaft

■ zwei Esslöffel Butter

■ ein halber Teelöffel schwarzer Pfeffer Mungbohnen und Reis waschen und abtropfen lassen. Das Gemüse waschen und klein schneiden. Ghee oder Öl in einem großen Topf erhitzen, die Kümmelsamen, Pfefferschoten und den Ingwer anbraten. Nach etwa einer Minute den gemahlenen Kümmel und das Asafoetida-Pulver dazugeben, danach die Kartoffeln und den Blumenkohl. Vier bis fünf Minuten lang braten und immer wieder rühren, bis das Gemüse anfängt braun zu werden. Mungbohnen und Reis hinzufügen, eine Minute lang braten. Wasser, Tomaten, Salz und Kurkuma dazugeben und den Eintopf aufkochen lassen. In einem halb zugedeckten Topf bei niedriger Temperatur etwa vierzig Minuten kochen lassen, bis die Bohnen weich sind. Öfter umrühren, damit der Reis nicht anklebt. Zitronensaft und Butter über das Gericht geben und alles auf niedriger Flamme so lange kochen lassen, bis die Körner die Flüssigkeit aufgesaugt haben. Mit Pfeffer würzen und nochmal vorsichtig umrühren.

AUS LONDON DANIEL ZYLBERSZTAJN

Gegen Mittag stehen am Russell Square in London etwa fünfzig Menschen in einer Reihe und warten. Genauso an der London School of Economics. Und in den Hintergassen Camdens.

Dominik streift sich seine Handschuhe über. Er trägt einen Lonsdale-Pullover und das traditionelle Beinkleid der indischen Männer, einen Dhoti in Orange. Vom Hinterkopf baumelt ein Zöpfchen, sonst ist sein Kopf kahl. Neben ihm eine Rikscha, bemalt mit dem Elefantengott Ganesha und Sprüchen wie: „Enjoy Karma“. Und, wichtiger: Bleche voll Kuchen, Schalen voller Melonenstücke und Säcke mit Brot. Und vier Thermobehälter, aus denen es dampft. Davor warten nicht nur Menschen, sondern auch Tauben.

1966 hat Bhaktivedanta Swami Prabhupada die moderne Hare-Krishna-Bewegung in New York gegründet, eine religiöse Bewegung, am Hinduismus orientiert, die sich in den Siebzigern unter den Hippies auch in Europa ausbreitete. Prabhupada forderte, dass kein Mensch im Umkreis von fünfzehn Kilometern um einen Krishnatempel hungern dürfe. Damit begründete er die „Food for All“-Bewegung. Es gibt sie heute immer noch. In London ernährt Hare Krishna so die Armen der Stadt.

„Wir geben aus Liebe“, sagt Dominik, der Mann mit dem Zöpfchen. Er ist vierzig Jahre alt und kommt aus Kroatien, dort war er Krankenpfleger, auch während des Krieges. Seit einigen Jahren ist er jetzt in England und verteilt Essen bei Hare Krishna. Er hat innere Stille gefunden, sagt er. Mit Krishna. Heute hat er den Tag um drei Uhr morgens begonnen, er hat meditiert, Yoga gemacht, er hat gekocht und Essen in die Londoner Innenstadt gefahren, er hat es auf die Rikscha geladen, er hat es auf dem Fahrrad nach Camden gebracht. Jetzt verteilt er es. „Alle in dieser Schlange bekommen das Gleiche, es ist egal, wo du herkommst. In Jugoslawien war das nie so“, sagt er.

Auf einer Bank gegenüber sitzt ein alter Mann mit Vollbart. Seine Jogginghose ist dreckig, um ihn herum liegen Plastiktüten. Er war früher Franziskaner, erzählt er. Und dass ihn eine Tochter Goebbels erzogen habe, behauptet er auch. Sie haben seinen Orden im Vatikan aufgelöst, seitdem … Er hält einen vollen Teller in der Hand. Reis mit Linsen, darüber Currysoße mit Mandeln, Kürbiskernen und Rosinen. Ohne diese Mahlzeit, sagt er, hätte er mittags nichts zu essen. „Aber es fehlt Fleisch.“ Hare Krishna kocht immer vegetarisch. Fast jeden Tag ist er hier.

Auch die Anthropologiestudentin Anita Datta, schmal und schwarzhaarig, kommt fast jeden Tag. 15.000 Euro Studiengebühren jährlich und das Leben in einer der teuersten Städte der Welt zehren an ihren Finanzen. Vergangenen Monat hatte sie kein Geld mehr. „Ich war so dankbar, dass ich hier was zu essen bekam.“

Einige Lokalbehörden wollten die Essensausgabe verbieten, weil sie glauben, dass das Essen Obdachlose auf der Straße halte. Alistair Murray, der Direktor von „Housing Justice“, einer Organisation, die Obdachlose auf Londons Straßen unterstützt, sagt, dass das Angebot von Hare Krishna essenziell ist. „Die Realität zeigt, dass auch Menschen dort essen, die ein Einkommen haben.“ Bei den hohen Lebenshaltungskosten in London reiche das, was viele verdienen, oft nicht mehr aus.

„Ich lasse mich füttern. Ich bin voll abhängig“

CHRISTOPHER ELLEMANN, 23, VWL-STUDENT IN LONDON

Zweimal täglich verteilt Hare Krishna Essen an mehr als tausend Menschen. Supermärkte und Großhändler spenden Produkte, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, und Gemüse in der „falschen“ Größe oder Farbe. Peter O’Grady, Spitzname Para, ist der Koch und der strategische Leiter der Operation. Er ist Ire, 51 Jahre alt und mager wie Menschen, die niemals ruhen. „Mal sind es Nudeln oder Kartoffeln anstatt des Reises, mal sind es Pflaumen und Erdbeeren anstelle von Rosinen. Wir benutzen alles.“ Auch die heutige Speise wurde neu kreiert. In das Grundrezept des Currys hat Para ganze Packungen Müsli gerührt, die sie am Vortag erhalten hatten: „Wir haben es über Nacht aufquellen lassen und dann zum Curry gegeben.“ Er kocht nach ayurvedischen Prinzipien: ohne Knoblauch, Zwiebeln und Fleisch. Gut verträglich auch für alte Menschen, sagt Para. Vielleicht kommt der alte Franziskaner deshalb so oft.

Christopher Ellemann kam in dieser Woche auch täglich vorbei. Er bringt immer seine eigene Schüssel und eine Campinggabel mit, weil er keinen zusätzlichen Müll produzieren will. Er studiert in London Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Entwicklung und findet, das Essen bei Hare Krishna sei wie Entwicklungshilfe. „Ich lasse mich füttern“, sagt er. „Ich bin voll abhängig.“ Als er geht, spendet er fünf Pfund.

„Als ich im Krieg war und gehungert habe, hat mir eine unbekannte Frau aus Mitleid ein einfaches Essen gemacht, obwohl sie selbst nichts hatte“, sagt Dominik. „Ich bin froh, dass ich das jetzt auch tun kann.“

Die Essecke: Unsere Korrespondenten erzählen hier jeden Monat, was in ihren Ländern auf der Straße gegessen wird. Philipp Maußhardt schreibt über vergessene Rezepte, Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, und Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche