STADTGESPRÄCH
: Der König von Rom

MASSIMO CARMINATI, DER SEIT DIENSTAG IN HAFT SITZT, LEITETE EINEN WEITVERZWEIGTEN MAFIARING

Als „König von Rom“ sah sich Massimo Carminati gern – als König, der heimlich hinter den Kulissen das Zepter in Italiens Hauptstadt schwang. Wenigstens in diesem einen Punkt ist er mit Roms Staatsanwaltschaft völlig einig: Sie verhaftete den 56-Jährigen am Dienstag als Chef eines Syndikats aus Mafiosi, Unternehmern und Politikern, das weite Teile der Stadtverwaltung und einen Gutteil der städtischen Aufträge unter ihre Kontrolle gebracht hatte.

Begonnen hatte Carminatis Karriere in den 70er Jahren. Erfahrungen sammelte er damals erst in einer rechtsterroristischen Gruppe, dann in der „Banda della Magliana“, einem Clan, der in den frühen Achtzigern den Drogenhandel kontrollierte und eine breite Blutspur durch Rom zog. Doch dann „resozialisierte“ Carminati sich – und wurde scheinbar legal agierender Unternehmer.

Seine große Zeit kam, als alte Kameraden in der Politik reüssierten: Im Jahr 2008 gewann der Exfaschist Gianni Alemanno die Bürgermeisterwahlen von Rom. Für Carminati ein Traum – lauter gute alte Bekannte saßen auf einmal in den wichtigen Ämtern. Viele von ihnen sitzen jetzt mit ihm in Haft. 37 Personen ließ die Staatsanwaltschaft am Dienstag festnehmen, gegen 78 weitere, darunter Exbürgermeister Alemanno, wird ermittelt. Egal nämlich ob Grünflächen, ob die Bewältigung des Schneechaos im Winter 2012 oder die Unterbringung von Roma und Flüchtlingen: Immer verdienten sich die Unternehmen aus Carminatis Umfeld eine goldene Nase.

Und immer flossen umgekehrt die Schmiergelder in die Taschen von Politikern und Beamten. Auf der Payroll des Bosses stand der Chef der städtischen Müllabfuhr genauso wie der Präsident einer großen kommunalen Immobiliengesellschaft. Auch sie waren alte Bekannte aus Carminatis alten faschistischen Jugendtagen.

Doch Berührungsängste kannte der Boss nicht. Sein wichtigster Partner im Business war niemand anderer als Salvatore Buzzi. Der hatte bis 1991 wegen Totschlags im Knast gesessen – und noch als Häftling eine Genossenschaft gegründet, die sich um die Resozialisierung von Straftätern kümmern sollte. Die eigene Resozialisierung jedenfalls gelang prächtig: Buzzi steht heute einem Genossenschaftsimperium vor, das mit 1.000 Beschäftigten mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr macht. Unter anderem mit dem Unterhalt von Roma- und Flüchtlingscamps. „Mit Zigeunern und Immigranten lässt sich mehr Geld verdienen als mit Drogen“, tönte Buzzi in einem abgehörten Telefonat.

Doch nach außen gab sich Buzzi immer links. Das erwies sich als äußerst hilfreich, als im Jahr 2013 Alemanno die Bürgermeisterwahlen verlor und der linke Ignazio Marino die Stadtregierung übernahm. Jetzt hatten die Mafiosi vom Tiber wieder zuverlässige Ansprechpartner in der Politik, und Buzzi freute sich über verbesserte Konditionen: „Die Linken sind weniger diebisch als die Rechten“, bilanzierte er am Telefon.

„Zusatzeinkommen“ von 5.000 Euro monatlich flossen aber weiter an die Entscheidungsträger. Zum Beispiel an Luca Odevaine, aus der römischen Stadtpolitik aufgestiegen zum nationalen Koordinator für den Flüchtlingsnotstand. Der schanzte Carminati und Buzzi immer neue Aufträge für Flüchtlingsheime zu.

Unter seinem alten Namen Odevain – ohne das E am Ende – hatte er sich eine Vorstrafe wegen Drogendelikten eingehandelt. Kurzerhand ließ er seinen Namen um den Endvokal ergänzen – und schon war das polizeiliche Führungszeugnis wieder blütenweiß. Im Jahr 2001 wurde er Vize-Kabinettschef des linken Bürgermeisters Walter Veltroni, dann Chef der Polizei der Provinz Rom und zuletzt nationaler Flüchtlingskoordinator. Doch jetzt sitzt auch Herr Odevain/Odevaine ein – zusammen mit Carminatis Ansprechpartnern von rechtsaußen.

MICHAEL BRAUN AUS ROM