Nachmacher mit falschen Zertifikaten

PHARMA Generika nutzen dieselben Wirkstoffe wie die Originalpräparate. Ohne eigene Studien werden sie aber nicht zugelassen. Doch die Studien sind bei über 100 Medikamenten offenbar gefälscht

Die Zulassungen von mehr als 100 Medikamenten auf dem deutschen und europäischen Markt basieren womöglich auf gefälschten Studiendaten. Das gab das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Aufsichtsbehörde am Freitag in Bonn bekannt – und zog Konsequenzen: Sämtliche Arzneimittel, deren Zulassungsgrundlage Studien der indischen Firma GVK Biosciences seien, dürften „so lange nicht mehr in Verkehr gebracht werden, bis der Zulassungsinhaber neue Studien mit Nachweis der Bioäquivalenz vorgelegt“ hat. Von einer „Gefahr für die Gesundheit der Patienten“ sei nach derzeitiger Erkenntnis „aber nicht auszugehen“.

Die rund 100 Pharmafirmen, die GVK Biosciences mit der Durchführung von Studien für Nachahmerpräparate, sogenannte Generika, betraut hatten, müssten den Behörden nun sämtliche Studien vorlegen. Unter den Herstellern, das hatten zuvor NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichtet, sollen unter anderem die Firmen Betapharm aus Augsburg und Hexal aus Holzkirchen sein. Um welche weiteren Hersteller und Arzneimittel es sich handelt, ließ das BfArM offen. Nur so viel: Gefälscht worden seien ausschließlich Studien über Generika. Für die Zulassung solcher Mittel, die denselben Wirkstoff verwenden wie Originalpräparate, aber oft anders aufbereitet sind, müssen die Hersteller mit sogenannten Bioäquivalenzstudien nachweisen, dass ihr Präparat genauso sicher ist wie das Original.

Aufgeflogen waren die Fälschungen bereits im Mai während einer Überprüfung von GVK Biosciences durch die französische Überwachungsbehörde ANSM: Von neun überprüften Studien „zwischen Juli 2008 und 2013“ waren Ergebnisse offenbar „systematisch gefälscht“ worden, heißt es in einem Brief der Leiterin der Abteilung für die Zulassung von Arzneimitteln bei der EU-Kommission, Sabine Jülicher, an die Europäische Arzneimittelzulassungsbehörde EMA, der der taz vorliegt. Ein Teil der Elektrokardiogramme – also der Ergebnisse von Herzuntersuchungen – sei manipuliert worden. Wenigstens „zehn verschiedene Personen“ hätten die Fälschungen vorgenommen. GVK Biosciences ist eines der größten Unternehmen für Auftragsforschungen in Asien.

Als Motivation für die Fälschungen vermutete ein Branchenkenner gegenüber der taz „Kosten-, Geld- und Zeitersparnis“. Der Geschäftsführer des Interessenverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, warnte vor einer generellen Verteufelung: „Generika bleiben das Rückgrat unserer Arzneimittelversorgung. Daher muss jetzt lückenlos aufgeklärt werden, wie es zu den groben Verstößen gegen die strengen Qualitätsstandards kommen konnte.“ HEIKE HAARHOFF