Schnitt und Nachbearbeitung verboten

In Braunschweig beginnt das Selbstfilmfestival „durchgedreht24“. Die gezeigten Filme kennen noch nicht einmal die Veranstalter – weil sie noch gar nicht existieren. Wer 24 Stunden lang durchdreht, wird vielleicht mit einem goldenen Fleischwolf belohnt

Im vergangenen Jahr wurden die Organisatoren des Filmfestivals „durchgedreht24“ überlistet. Dabei sind die Regeln eigentlich ganz klar: Jedes teilnehmende Team hat eine einzige Kamera und 24 Stunden Zeit, um einen fünfminütigen Kurzfilm zu drehen. 2006 meldeten sich die Teams „Toffifee“ und „Milchkaffee“ zwar getrennt an, drehten dann aber zwei Hälften des gleichen Films: Eine Liebesgeschichte, die einmal aus Sicht des Mannes gezeigt wurde, einmal aus der der Frau. Die Jury war allerdings nicht kleinlich: Für ihre kreative Regelauslegung bekamen beide Teams den Hauptpreis des Festivals, den „goldenen Fleischwolf“.

Schon mit einem fertigen Film im Gepäck anreisen können die Teams übrigens nicht: Erst bei der Eröffnung des Festivals heute Abend erfahren sie die zwölf Begriffe, von denen drei im fertigen Film auftauchen müssen. 2006 standen so schöne Inspirationsquellen wie „Ruhepol“, „Ich habe keine Tinte mehr“ und „Damentoilette“ zur Auswahl. „Manche Teams bauen die Begriffe ganz platt einfach in einen Dialog ein“, sagt Markus Krüger, ein Mitglied des Organisationsteams, „andere haben sehr kreative Ideen“. Wie seine 20 Mitstreiter studiert Krüger an der Braunschweiger Hochschule für Bildende Künste und steckt seine Freizeit in die Organisation des Festivals. Eine andere Regel, die das Team festgelegt hat: Außer durch Vor- und Zurückspulen an der Kamera darf der Film nicht geschnitten werden. Auch jegliche digitale Nachbearbeitung ist untersagt.

„24 Stunden sind verdammt kurz“, sagt Krüger. „Man sollte schon vorher eine Idee haben und dann die Begriffe spontan einbauen.“ So macht es auch das Team „EichhörnchenTV“, das in diesem Jahr zum zweiten Mal teilnimmt und sich vorgenommen hat, mit dem Begriff des „Selbstfilmfestivals“ zu spielen: Der Film soll wirken, als hätte die Hauptdarstellerin Anne Binner sich selbst gefilmt. Alles andere hängt dann von den Begriffen ab, die vorgegeben werden. Im letzten Jahr hat EichhörnchenTV einen der Trostpreise, einen „Schulterklopfer“ gewonnen. „Die Jury hat die tollen Effekte bei unserer Kameraführung gelobt“, sagt Binner. „Dabei lag es nur daran, dass ich die Kamera nicht gerade halten konnte.“ Genau wie ihre beiden Teamkollegen hatte Binner vorher nichts mit dem Filmemachen zu tun gehabt und wollte es einfach einmal ausprobieren. Ein anschauliches Beispiel für den Geist des Festivals: „Zu uns kommen keine Profis“, sagt Organisator Krüger. „Man braucht eine Kamera und eine Idee, das reicht.“

Die Filme, die dabei entstehen, sind völlig unterschiedlich: von der Liebesgeschichte über den gedanklichen Monolog eines Verletzten im Krankenwagen bis zur Parodie der populärwissenschaftlichen Fernsehsendungen, die ihrem Publikum die Wunder der Natur in übersichtlichen Häppchen näherbringen wollen.

Damit keiner der Begriffe vorher durchsickert, haben die Organisatoren die Liste erst gestern Abend gemeinsam festgelegt. Für Freunde des Regelhaften: Bei allen vier bisherigen Festivals waren stets Ortsnamen aus der Region Braunschweig dabei. In diesem Jahr werden es außerdem wissenschaftliche Begriffe sein, denn „durchgedreht24“ gehört zu dem Programm, das Braunschweig als deutsche Stadt der Wissenschaft 2007 ausrichtet.

Mittlerweile gibt es einige Teams, die immer wieder teilnehmen. Deren Filme würden von Jahr zu Jahr besser, erzählt Krüger. Angekündigt haben sich in diesem Jahr 47 Teams. Spontan Entschlossene können das aber auch noch heute tun – bis 18 Uhr auf dem Braunschweiger Kohlmarkt –, wenn sie ihre Kamera mitbringen. Um 20 Uhr werden dann die Begriffe verkündet, und der 24-Stunden-Dreh beginnt. Am Sonntag werden dann ab 9 Uhr die fertigen Filme in der Aula der Hochschule für Bildende Künste gezeigt, und ab 21 Uhr gibt es dann im Cinemaxx-Kino „Schulterklopfer“ und „Fleischwölfe“. KC