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: Haste Blättchen?

Es gibt ein Haus in dieser Stadt, ich kenne es jetzt seit fast einem Jahr, das funktioniert wie eine Schleuse: Auf der einen Seite werden die Schweine geschlachtet, nebenan ziehen sich kleine Kinder lautstark an den Ohren und auf der anderen Seite, hinterm Grünstreifen, das blühende Leben: Uebel und Gefährlich und so weiter.

Öffnet man die Fenster, lassen sich, falls nicht gerade Dom ist, die Tore des FC St. Pauli anhand der Geräuschkulisse erleben. Wenn man allerdings die Haustür öffnet, befindet man sich in einer Art Vakuum und atmet den Geist dieses ehemaligen Altersheims, gespickt von Wäsche, Altglas und Kunst. Zu sehen ist hier selten jemand.

Heute aber ist Ausstellungseröffnung, da gibt es außer Astra auch Erdbeerbowle. In der Galerie singt irgendwer mehrfach den Text: „Ich sehe sie an und sie sieht mich an und ich sehe zur Tür.“ Muss wohl der Refrain sein. Mein Zimmernachbar, noch nicht lange zurück aus dem Hafenklang, öffnet die Tür, für die immer und immer gleiche Fragestellung: „Haste Blättchen?“

Jetzt wird Kunst an einen Grauhaarigen verkauft. „Deine Buchstabensortiererei ist ja im engeren Sinne eigentlich keine Kunst“, sagt der Barkeeper zu mir. „Aber Bier verkaufen ist eine. Hier ist schon wieder alles weg. Kannst du mal was holen gehen?“ Auf dem Weg stoße ich mit dem Kunstkäufer zusammen. „Möchtest du hier leben?“, fragt den gerade sein Kumpel. „Zu viel Kunst“, antwortet er gelangweilt. KATRIN BONNY