Wechsel an der Spitze

Im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur in den USA sind die frühen Favoriten McCain und Giuliani in großen Schwierigkeiten

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

John McCain sah sehr müde aus. Der Senator, der zu Beginn des Rennens ums Weiße Haus als möglicher Sieger gefeiert worden war, hatte die Nacht im Kongress durchdiskutiert. Es ging um das Thema, das ihn wahrscheinlich seine Kandidatur kosten wird: die Irak-Strategie. Denn John McCain, einst raubeiniger Bush-Kritiker, hatte sich in der Frage um die Truppenaufstockung im Irak auf die Seite seines Präsidenten gestellt. Ein Fehler, wie es nun scheint.

Denn McCains – und Bushs – Erwartung, dass diese im Januar formulierte Strategie aufgehen und der Krieg im Irak doch noch glorreich enden würde, hat sich bislang nicht erfüllt, und nun schwimmen dem Senator aus Arizona die Felle weg. Die dringend benötigten Wahlkampfspenden blieben aus, bald musste McCain, einst bewundert als schnörkelloser Macher, erste Mitarbeiter entlassen, andere verließen eilig das sinkende Schiff. Längst erwartet das übrige Feld der republikanischen Präsidentschaftskandidaten nur noch das Aus für den einstigen Star unter ihnen.

Das Lager der Konservativen ist, ganz anders als das seiner demokratischen Herausforderer, in ständiger Bewegung. In weniger als einem Monat zerlegte sich nicht nur John McCain eigenhändig. Vielmehr sahen die Konservativen auch mit Erstaunen aus dem Nichts einen neuen möglichen Konkurrenten auftauchen: Fred D. Thompson, ehemaliger Schauspieler und Senator in Tennessee, gilt als neuer Rising Star.

Die neue Aufstellung veranlasste die Mitstreiter zur sofortigen Änderung ihrer Reiserouten und Pläne. An dem Mittwochmorgen, an dem John McCain müde in die Parlamentskameras sprach, sauste sein schärfster Konkurrent, der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani bereits nach Iowa. Denn nachdem McCain aus Finanzgründen seinen Mitarbeiterstab im wichtigsten Midwest-Staat halbieren musste, witterte Giuliani dort eine Chance für sich.

Der dritte an der vielversprechenden Spitze der Republikanischen Kandidaten, der Mormone Mitt Romney, sattelte wiederum bereits zu Beginn der Woche um. Sein Wahlkampfteam startete einen Fernsehspot zum Thema Familienwerte und Glauben. Zielscheibe: Rudy Giuliani. Denn der New Yorker Law-and-Order-Mann hatte in den letzten Wochen Schlagzeilen produziert, in dem er versuchte zu verbergen, dass er und seine frühere Ehefrau in den 90er-Jahren mehrmals Geld an eine Pro-Abtreibungs-Organisation gespendet hatten. Auch Giulianis zahlreiche Ehen und Affären, so konservative Konkurrenten, könnten für seine Gegner gute Munition im Endspurt um die Nominierung abgeben.

Doch alle macht nervös, dass Fred Thompson ins Rennen einsteigen könnte. Noch hat der Mann gar nicht offiziell kandidiert, schon sind sich alle sicher, dass er ihnen gefährlich werden könnte. Thompsons Mitarbeiter wurden in US-Medien anonym mit der Ankündigung zitiert, dass ihr Boss nach dem „Labor Day“, dem traditionellen September-Feiertag, offiziell seine Kandidatur erklären werde. Schon jetzt hat der politische Nobody aus Tennessee einen beachtlichen Mitarbeiterstab von 20 Beratenden, zwei Wahlkampfbüros und einen mit Sponsoren-Essen vollgestopften Terminkalender. Sein Team spekuliert offenbar auch auf die offizielle Unterstützung durch John McCain, sollte dieser das Handtuch werfen.

Wenn man seinem Team glauben will, dann wird sich Thompson als der konservativste aller Kandidaten zu positionieren versuchen – mit allem, was dazugehört: striktes Nein zu Abtreibungen, Ja zu Familienwerten und niedrigen Steuern. Kaum gesagt, tauchten erste Informationen über Thompsons Vergangenheit auf, die nicht ganz ins Bild passen. So soll er als Senator eine kurze Zeit für eine Organisation Lobbyarbeit betrieben haben, die seine Hilfe gegen strikte Abtreibungsregelungen suchte.

Danach befragt, wollte sich Thompson zunächst an nichts dergleichen erinnern. Zwar hat er als Senator stets gegen Abtreibungen, vor allem staatlich finanzierte, gestimmt. Allerdings hatte er bei seiner Bewerbung um das Amt des Senators angegeben, er sei für straffreie Abtreibungen bis zum dritten Monat.

Allerdings kann auch Kandidat Mitt Romney nicht mit einer astreinen Vita trumpfen. Der Mann aus Massachusetts hat bei so ziemlich jedem Kernthema bislang seine Meinung mindestens einmal geändert, zu dem gilt er als Mormone vielen konservativen Christen nicht als „echter“ Christ.