Ein Richter mit Rückgrat

Seine Absetzung und Massenproteste dagegen hatten für Militärmachthaber Pervez Musharraf zur schweren Krise geführt. Jetzt ist Pakistans Oberster Richter Ifthikar Chaudhry (59) wieder im Amt FOTO: AP

Seit gestern ist er wieder im Amt. Wie das Oberste Gericht in Pakistans Hauptstadt Islamabad entschied, ist die im März erfolgte Absetzung des Obersten Richters Ifthikar Chaudry nicht rechtskräftig. Auch wenn Chaudrys Anwälte nun den Rücktritt von Militärmachthaber Pervez Musharraf fordern: Als nationale Protestfigur gegen den schneidigen General macht Chaudhry eine schlechte Figur. Man kann es ihm nicht verübeln, denn er hat den größten Teil seiner Karriere in den staubigen Anwaltskanzleien und Gerichtssälen von Quetta im Wüstenstaat Balutschistan verbracht. Im Jahr 2005 ernannte ihn Präsident Musharraf zum Gerichtspräsidenten. Mit 57 Jahren war er einer der jüngsten Richter und hatte noch eine lange Amtszeit vor sich – bis ihn Musharraf am 9. März suspendierte.

Chaudhry war zuvor nicht als besonders prinzipientreuer Verfechter der Verfassung aufgefallen. Er habe seinem Sohn unter Ausnützung seines hohen Amts einen Posten bei der Polizei verschafft, lautete ein Vorwurf gegen ihn; er sei bestechlich und arrogant gegenüber seinen Richterkollegen gewesen, ein anderer. Die Vorwürfe kamen Präsident Musharraf gelegen, als Chaudhry im letzten Jahr plötzlich Fälle vor Gericht zuließ, die das Regime lieber nicht in der Öffentlichkeit diskutiert haben wollte: eine Petition gegen das willkürliche Verhaften von Personen durch die Polizei, Klagen wegen Gewalt gegen Frauen.

Zu Jahresbeginn zeichnete sich ab, dass sich Musharraf als Präsident in Uniform wiederwählen lassen wollte. Chaudhry ließ eine Klage zu, welche diese Doppelrolle als verfassungswidrig kritisierte. Musharraf griff ein, noch bevor sich das Gericht zur Sache geäußert hatte und suspendierte den Richter. Doch Chaudhry zeigte Rückgrat. Er focht die Absetzung an. In Islamabad kam es zu einem juristischen Fechtkampf zwischen Regierungsanwälten und jenen Chaudhrys.

Gleichzeitig entwickelte sich auf den Straßen des Landes ein politisches Ringen, das keiner der Protagonisten vorhergesehen hatte. Chaudhry wurde plötzlich zum Symbol des Widerstands gegen die Arroganz Musharrafs und zur Schlüsselfigur in dessen schwerster politischen Krise, seit er 1999 durch einen Putsch an die Macht gekommen war. Chaudhry, der offenbar keine eigenen politischen Ambitionen hegt, schien oft selbst nicht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Während seine Anhänger „Go, Musharraf, go!“ riefen, erwähnte er den Namen Musharrafs in keiner einzigen Rede und war darauf bedacht, seine Kritik am Regime auf die Manipulation des Justizwesens zu beschränken. Diese Zurückhaltung kam ihm offenbar letztlich zugute.

BERNARD IMHASLY