Secondhand im Atomkraftwerk

ATOMENERGIE Der Reaktor Brokdorf an der Unterelbe wird kurz vor seinem 25. Betriebsjubiläum zum Problemfall, weil einer der beiden Transformatoren ausgefallen ist. Gefeiert werden soll trotzdem

Bernd Voss hält ein Wiederanfahren von Brokdorf „für russisches Roulette“

Das Atomkraftwerk Brokdorf soll mit nur einem Transformator weiter betreiben werden. Diese Absicht teilte eine Sprecherin des Energiekonzerns Eon am Freitag mit. Zuvor werde aber zusammen mit der Atomaufsicht im schleswig-holsteinischen Justizministerium ein erweitertes Messprogramm durchgeführt.

Die Ergebnisse der Messungen sollen in der nächsten Woche vorliegen. Nur wenn der Transformator voll funktionsfähig ist, werde Eon beantragen, Brokdorf mit maximal halber Leistung wieder ans Netz zu nehmen. Es sei nicht ungewöhnlich, ein Kraftwerk mit nur einem Transformator zu fahren, ein Beispiel sei der Atommeiler Unterweser.

In Brokdorf war am vergangenen Sonntag einer der beiden Transformatoren, die den erzeugten Strom zum Transport in den Hochspannungsleitungen umwandeln, wegen einer Überhitzung ausgefallen. Die Ursache hierfür ist noch unklar, da das Gerät gerade ausgetauscht wird.

Unklar ist allerdings, wie schnell und woher ein zweiter Transformator kommen könnte. Eine nahe liegende Möglichkeit wäre das abgeschaltete Vattenfall-Atomkraftwerk Krümmel, das nach dem neuen Atomausstiegsgesetz nie wieder ans Netz gehen soll. Dort war nach einem Transformatorenbrand im Jahr 2007 ein gebrauchter Trafo aus dem AKW Brunsbüttel eingebaut worden. Ein Neubau würde etwa eineinhalb Jahre dauern, sagte damals Vattenfall-Sprecher Ivo Banek, deshalb sei die Secondhand-Lösung „die technisch und logistisch beste Möglichkeit“.

Nach Ansicht des Landtagsabgeordneten Flemming Meyer (SSW) ist das jedoch keine gute Idee. Es würde ja auch niemand ein Flugzeug „mit nur einem Triebwerk starten und halb so schnell fliegen“, vermutet er. Und der grüne Parlamentarier Bernd Voss hält ein Wiederanfahren von Brokdorf unter solchen Voraussetzungen „für russisches Roulette“.

Als „geschmacklos“ hat Robin Woods Energiereferent Dirk Seifert indes den Plan von Eon bezeichnet, nach der Katastrophe von Fukushima am 1. September mit Vertretern aus der Politik das Fest „25 Jahre Brokdorf“ zu feiern. Der Atommeiler hatte den kommerziellen Betrieb am 22. Dezember 1986 offiziell aufgenommen – nur ein halbes Jahr nach dem GAU in Tschernobyl.

Auch der Bevollmächtige der IG Metall Unterelbe, Uwe Zabel, hält die Feier, während der GAU in Fukushima weitergeht „pietätslos“. Die IG Metall sowie ein umfangreiches Bündnis aus Parteien, Umweltverbänden und Kirchen werden am 1. September rund um den Meiler demonstrieren. Motto: „Fukushima mahnt – 25 Jahre Brokdorf sind genug.“KVA/SMV