Badende in Schichten hintereinandergestapelt

Sie gehören zu den Wenigen, die die Kopie nicht fürchten: Graphiker, zu denen auch Holzschneider zählen. Einer von ihnen ist der in Berlin lebende Künstler Matthias Mansen. Seine Ausstellung „Land und See“ ist derzeit in der Hamburger Kunsthalle zu sehen

Was auch immer man dem Graphiker an Konservatismus vorwerfen mag: An der Idee eines unwiederbringlichen Originals klebt dieser Künstler nicht. Denn etliche Kopien kann man fertigen von dem, was in eine Kupferplatte oder einen Holzstock geritzt wurde. Der mit diesen Medien arbeitende Künstler treibt die Idee des Copyrights ad absurdum, gibt die Einzigartigkeit seines Werks völlig ohne Not auf. Zu Zeiten der Copyright-Hysterie ein erfrischender Akt des Muts und der inneren Freiheit.

Matthias Mansen, dessen Schau „Land und See“ derzeit in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wird, ist so einer. Schon früh hat sich der 1958 geborene Künstler für den Holzschnitt entschieden– eine der ältesten künstlerischen Techniken: Schon Babylonier und Ägypter druckten geschnittene Holzstempel in Ton. Und die Chinesen wussten im 4. Jahrhundert, wie man reliefartige Inschrift-Steine mit Tusche färbt. Was die Japaner vier Jahrhunderte später perfektionierten, indem sie den Farbholzschnitt zur Perfektion trieben.

Mit Farben arbeitet meist auch der in Berlin ansässige Matthias Mansen, dessen Bäume und Badende in freundlichen Gelb- und Grüntönen daherkommen. Wie Collagen wirken diese Holzschnitte, die mit den kräftig konturierten Arbeiten der Expressionisten – den modernen Wiederentdeckern dieser Technik – nicht viel gemeinsam haben. Denn Mansen setzt nicht auf starke Kontraste, wie es die „Brücke“-Künstler taten. Auch liegt ihm nichts daran, die Maserung des Holzes mitzudrucken, wie Edvard Munch es praktizierte.

Mansen nutzt vielmehr exzessiv die Chance, die dieses Medium bietet: das Changieren zwischen Konkretion und Abstraktion. So lassen sich auf seinen meist großflächigen Bildern Gegenstände wie Bauklötze in verschiedenen Schichten hintereinandertürmen. Klare Konturen, fast Comic-artige Auslassungen und menschliche Figuren à la Oskar Schlemmer hat Mansen geschaffen – etwa, wenn „Badende“, so der Titel eines seiner Werke, durchs Ufergebüsch kriechen, wer weiß, vielleicht sind es auch Nymphen und beim nächsten Blick wieder weg. Doch Mansen ist auch ins Innere von Wohnungen gegangen und hat das Gegenständliche in abstrakte Gebilde übersetzt: Auf dem Blatt „Küche“ hat er Pfanne, Brot und Messer auf den kalligraphisch weißen Bildgrund gesetzt, als seien sie soeben des Zauberlehrlings Wundertüte entkommen. Nein, dieser Holzschneider klammert sich nicht an die Realität. Sie ist für ihn eher Anlass auszuprobieren, welche Gegenstände sich in kubische Formen verwandeln lassen.

Studiert hat Mansen bei Georg Baselitz und Markus Lüpertz, und dass er der erste moderne Künstler wäre, der sich des Holzschnitts bedient, lässt sich nicht behaupten: Hans Arp, Frantisek Kupka und HAP Grieshaber arbeiteten in dieser Technik, der vor allem Grieshaber zu beträchtlichem Renommee verhalf. Und wenn auch Kunsthistoriker den Holzschnitt bisweilen misstrauisch beäugen und ihn als Gebrauchskunst schmähen, schätzen ihn Kunstsammler, weil er preiswerter ist. Und weil er – aufgrund der abstrakt scheinenden Technik – ein tief gehendes Verständnis des Sammlers für moderne Kunst suggeriert.

Wobei man sich natürlich fragen kann, ob die Hamburger Kunstmeile neben den „Seestücken“ und den „Fish and Chips“ im Kunsthaus in diesem Sommer eine weitere Schau mit Seemotiven braucht. Andererseits zeugt auch dies – wie die Holzschnitt-Technik – von einer großen Gelassenheit in Bezug auf die Vervielfältigung von Titeln, Themen und Motiven. PS

Die Ausstellung ist bis zum 16. 9. in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.