: Bundesliga wird zum Abenteuerspielplatz
Erstmals werden sich im kommenden Jahr für die 3. Bundesliga qualifizieren. Während andere Regionalligavereine ihre große Chance wittern, sieht es der SV Babelsberg 03 gelassen. Denn viel Geld für neue Spieler gibt es nicht
19 Fußballkader scharren kollektiv mit den Stollen. Am kommenden Freitag ertönt bei der Partie Hamburger SV II gegen Dynamo Dresden der Anpfiff zur letzten Saison der Regionalliga Nord in ihrer bisherigen Form. Denn ab der Spielzeit 2008/2009 wird die 3. Bundesliga als eigene Spielklasse eingeführt. Der Transfermarkt boomt dementsprechend im ersten Qualifikationsjahr und Spielerberater reiben sich die Hände.
„Momentan wird Harakiri gespielt“, erzählt Ralf Hechel mit einem lässigen Unterton, der alles andere als brummende Konjunktur erahnen lässt. Fast schon belustigt grenzt sich der Manager des SV Babelsberg 03 von dem grassierenden Investitionsfieber ab: „Wir rechnen nicht mit Holzdollars, wir arbeiten nicht mit ungedeckten Schecks. Wir haben auch keine Hoffnungsposten im Etat.“ Mit einem Haushalt von nur 1,6 Millionen Euro (Rivale 1. FC Union Berlin kalkuliert mit 4,1 Millionen) gehen die Potsdamer das Abenteuer an, das für sie keines werden soll.
Der Oberliga-Aufsteiger aus der Filmstadt hat schon ein Insolvenzverfahren hinter sich. Eine solche Existenzkrise stärkt offenbar das Underdog-Feeling. Auch die Kapazität des Karl-Liebknecht-Stadions am Unesco-Weltkulturerbe Babelsberger Park hat zugenommen. Statt 9.254 Zuschauer wie bisher passen jetzt offiziell 10.499 Schaulustige hinein – das „Karli“-Stadion stellt damit genügend Plätze zur Verfügung, um in die neue Liga aufgenommen zu werden.
„Klar, man träumt davon, andere Möglichkeiten zu haben“, gesteht Rastislav Hodul. Der Slowake ist der Trainer im „Karli“-Stadion eines Teams, das in der Regionalliga-Hitze über sich hinauswachsen soll. „Jetzt schon zu lamentieren, das wäre der falsche Weg. Wir haben halt mal nicht so viel Kohle wie die anderen. Wir setzen auf Leidenschaft und Engagement“, doziert Hodul.
Diese Eigenschaften kann man selten kaufen, höchstens einüben, das weiß der Mann, der in Prag seine Übungslizenz baute. Deshalb hat Hodul Spieler verpflichtet, von denen er glaubt, dass sie seine Philosophie kapieren. Aber können sie auch die ungewohnten Regeln der Regionalliga „lernen“?
Die meisten Neu-Babelsberger dribbelten im Vorjahr vor Hoduls Augen durch die Oberliga – unter ihnen der ewig als Großtalent gehandelte blonde Türke Gökhan Ahmetcik, der wie Ibrabhim Türkkan von Berlin Ankaraspor kam. Oder Tim Felsenberg und Daniel Frahn, der sich in Herthas Regionalliga-Reserve nicht durchsetzen konnte. Sie alle sind in und um Berlin herum bekannte Gesichter. „Junge, hungrige Spieler aus der Region, die wir bei uns vereinigen“, wie sie Manager Hechel nennt. Jetzt soll die bodenständige Hodul-Hechel-Herde den vielen wanderlustigen Exprofis der Konkurrenz Punkte und Bälle abjagen. Ob das für den 10. Tabellenplatz reicht, der für gewöhnlich als Eintrittskarte in die neue 3. Profiliga angesehen wird?
Platz 10 müsse nicht sein, es gehe auch schlechter, prophezeit Hechel, der die Messlatte tiefer legt. „Wir werden die 3. Liga erreichen, weil wir vernünftig arbeiten – sportlich wie wirtschaftlich.“ Denn abgerechnet werde zum Schluss, weit nach Abpfiff der alten Regionalliga im Frühsommer 2008. Dann werden die Vereine Farbe bekennen müssen, wenn sie beim Verband die Prüfungsunterlagen für die Lizenz einreichen. Hechel hält es für realistisch, dann den einen oder anderen Harakiri spielenden Rivalen, der ins finanzielle Abseits gekommen ist, zu überflügeln.JÜRGEN SCHULZ
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