Die Putschisten basteln sich ihre eigene Demokratie

THAILAND Repression gegen jede Form von Kritik ist alltäglich, die Menschenrechtslage ist verheerend

Gegen Urteile von Militärgerichten kann keine Berufung eingelegt werden

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

Als Mitglieder der von Militärs dominierten Regierung darüber schwadronierten, dass Neuwahlen erst 2016 abgehalten würden, sorgte dies international für Schlagzeilen. Kritiker überraschte das nicht: Schließlich hatte der jetzige Premier und damalige Putschistenführer Prayuth Chan-ocha nach dem Coup vom 22. Mai erklärt, dass eine Abstimmung Ende 2015 nur stattfinde, wenn Reformen abgeschlossen seien und das politische Klima einen Urnengang erlaube. Noch immer aber gibt es Widerstand gegen die Militärführung.

Bei einem Besuch Prayuths in der nordöstlichen Provinz Khon Kaen protestierten fünf Studenten mit dem 3-Finger-Zeichen aus dem Film „Die Tribute von Panem“ das in Thailand seit Monaten als Symbol des Widerstands gilt. Die fünf wurden vorübergehend festgenommen. Am Tag darauf traf es Studenten in Bangkok, die bei der thailändischen Premiere der jüngsten Hollywood-Blockbuster-Folge ebenfalls drei Finger in die Höhe reckten. Daraufhin nahm eine Kinokette den Film aus dem Programm.

Der Widerstand mag symbolisch sein. Aber er zeigt, dass es gärt im Klima der Einschüchterung, in das selbst die geraten, die bloß über Landrechte oder Umweltschäden debattieren wollen. So wurde ein Treffen zwischen einer Anwältin und ihren Klienten, bei dem es um die Folgen eines Staudammbaus ging, von Militärs und Polizei gestört. Der Juristin wurde zur Auflage gemacht, vor künftigen Treffen die Armee um Erlaubnis zu fragen.

Repressionen gegen Putschkritiker sind nach wie vor an der Tagesordnung. Nachdem Anfang November Bürgerrechtler den Coup öffentlich kritisiert und sich geweigert hatten, mit den von der Junta ernannten „Gremien für Reformen“ zu kooperieren, wurden sie vorgeladen und ihre Wohnungen durchsucht. Die Organisation Thai Lawyers for Human Rights forderte, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu stoppen: Geltendes Kriegsrecht sei kein Blankoscheck für Willkürakte.

Kritik aus dem Ausland passt der Junta ebenso wenig ins Konzept. Der Zugang zur Thailand-Seite von Human Rights Watch wurde blockiert, nachdem die Organisation kritisierte, dass „der Respekt für grundsätzliche Freiheiten und Demokratie unter den Militärs ins Bodenlose gefallen“ sei. Unter anderem wird moniert, dass Zivilisten von Militärgerichten abgeurteilt werden. Das betrifft angebliche Verstöße gegen die „nationale Sicherheit“ und das Gesetz über Majestätsbeleidigung: „Unter dem Vorwand, die Monarchie zu schützen, hat die Junta eine Hexenjagd begonnen“, so die Internationale Föderation der Ligen für Menschenrechte. Besonders fatal: Gegen Urteile von Militärgerichten kann keine Berufung eingelegt werden.

Als Teil der Reformen wird derzeit eine neue Verfassung vorbereitet. Diese dürfte darauf abzielen, das Netzwerk des 2006 vom Militär gestürzten Premiers Thaksin Shinawatra, dessen Parteien seit 2001 alle Wahlen gewonnen hatten, auszuhebeln. Parlamentarier, die in der Vergangenheit aufgrund fragwürdiger Urteile für Jahre aus der Politik verbannt wurden, könnten von Neuwahlen ausgeschlossen werden. Ohnehin dürfte der Spielraum künftiger Regierungen unter dem Einfluss einer ultrakonservativen Dominanz drastisch beschnitten werden. Nach dem Sturz Thaksins ließ das Militär im August 2007 in einem Referendum über die Verfassung abstimmen. Dieses Mal ist fraglich, ob es überhaupt einen Volksentscheid geben wird.