LESERINNENBRIEFE
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Offener Brief an die CSU

■ betr.: „CSU: Zu Hause wird deutsch gesprochen!“, taz vom 8. 12. 14

Lieber Herr Seehofer, liebe CSU,

wir, die „Interessengemeinschaft zur Bewahrung des Bayrischen Brauchtums und der Bayrischen Sprache im Exil“ (IB³SEx) i. G. nehmen den Leitantrag der CSU zu ihrem kommenden Parteitag mit großer Sorge zur Kenntnis. Wir möchten mit diesem Schreiben auf die schwere Lage der Exilbayern aufmerksam machen und vor den Folgen ihres Vorhabens warnen. Wir hoffen inständig, dass unsere Interessen von der CSU gehört werden. Ja, von wem denn sonst!

Ausländer sollen also daheim deutsch sprechen. Ich bin einen Steinwurf vom Kloster Benediktbeuern entfernt geboren, habe lange in Bad Tölz gelebt und wohne nun mit anderen Bayern in einer Notgemeinschaft in Berlin. Weitergedacht bedeutet ihre Forderung für uns nur: kein bayrisch mehr in unseren vier Wänden, das König-Ludwig-Schneidebrett verstecken, wenn Besuch kommt, und die Erzeugnisse des Brauhauses Tegernsee nur noch in braunen Papiertüten auf den Tisch stellen. Auf der Straße tarnen wir unsere Herkunft gut, quälen uns ein „Brötchen“ zu bestellen (Schrippe geht gar nicht) und sollen nun Verfolgung in unseren vier Wänden ausgesetzt werden?

Da drüben in Berlin, wo so viele arbeitslose Stasimitarbeiter wohnen, können wir uns doch nie sicher sein, ob ein liebevoll gehauchtes „Du Spotzl, bringst mir no a Bier“ mitgehört wird. In Thüringen stellt die SED nun den Ministerpräsidenten und in Bayern wird ihr Programm umgesetzt? Das ganze 68er Gschwerl kämpft für „Das Private ist politisch“ und die CSU schreibt sich das Konzept in ihren Leitantrag?

Wir sehen die Freiheit ernsthaft gefährdet und behalten uns vor, vom größten Unterstützer der CSU zu ihrem erbittertsten Gegner zu werden. Es lebe Bayern, es lebe der König, es lebe die Freiheit zu sagen, was wir wollen und in welcher Sprache wir es wollen: „Euch hams doch ins Hirn g’schissen!“

Hochachtungsvoll MAXIMILIAN FUHRMANN, Vorsitzender, Berlin

Armselig, aber übersichtlich

■ betr.: „Keine Panik in Moskau“, taz vom 5. 12. 14

Klaus-Helge Donath weiß, was Russland weiterbringt. Die Staatsquote muss runter und vor allem muss das Land unabhängig werden vom eigenen Öl. Erst wenn beides umgesetzt sei, könnten Dynamik auslösende Erfindungen zum Tragen kommen, die derzeit wegen „staatlicher Dominanz“ keine Realisierungschance hätten. Dabei stehe das System Putin für genau diese staatliche Dominanz.

Die Weltsicht vieler Putin-Kritiker ist zwar analytisch armselig. Dafür scheint sie wenigstens übersichtlich zu sein. Hier Putin und seine finstere Klientel, dort seine Gegner im steten Einsatz für Freedom and Democracy. Hier die schmutzigen Oligarchenprofite von Gazprom, dort die ehrlichen Überschüsse von RWE und Vattenfall.

Auffällig ist, dass seine Opponenten Putin nicht nur ein Streben nach Weltherrschaft unterstellen, sondern auch eine schlechte Wirtschaftspolitik, und zwar auf eine Weise, als sei (vermeintlich) schlechte Wirtschaftspolitik per se zutiefst antidemokratisch. Wenn dem so wäre, dann wäre beispielsweise auch Frau Merkel mit ihrer Vorliebe für ökonomisch unsinnige Austeritätsstrategien eine Antidemokratin par excellence. Sie stünde Putin in nichts nach, und Klaus-Helge Donath müsste wohl umdenken.

BILL RÄTHER, Kellinghusen

Spielregeln unserer Demokratie

■ betr.: „Thüringen. Geschafft“, „Erfurter Akrobatik“, taz v. 6. 12. 14

Die Art und Weise, wie sich die CDU gerade im Fall von Herrn Ramelow auf dem politischen Parkett profiliert, strotzt vor Unsachlichkeit und vor Unobjektivität. Hier fühlt man sich an das alte Plakat der CDU aus den 50er Jahren mit dem Slogan „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“ erinnert. Bevor sich die CDU-Abgeordneten das Recht nehmen, 25 Jahre nach dem Fall der Mauer, einen solchen Weg der Kontraproduktivität einzuschlagen, sollten sie vor ihrer eigenen Tür kehren und die eigene Geschichte im Hinterkopf behalten. Es war ausschließlich die CDU, die ehemaligen Mitgliedern der NSDAP, der Wehrmacht, der Gestapo und der Waffen-SS eine neue politische Heimat gab und wo Mitglieder, die noch kurz vorher mitschuldig am Mord an Millionen eigenen Mitbürgern im eigenen Land und im gesamten östlichen Ausland waren, wieder mitwirken konnten. Mithilfe der CDU konnten ehemalige Schergen der Partei der größten Völkermörder des 20. Jahrhunderts wieder in Amt und Ehren gehievt werden und sie bekamen recht hohe Pensionen von einer Staatsform, die sie vorher bis aufs Blut bekämpft haben, während Kriegerwitwen und Kriegsversehrte oft nur knapp über dem Existenzminimum ihr Dasein fristen mussten. Von diesen Alt-Nazis hat man nie ein Wort der Entschuldigung gehört.

Diejenigen, vor allem aus der CDU, die hier der Meinung sind, dass dieses Ergebnis in Thüringen lediglich aufgrund einer Dreierkoalition in einer ungerechten Art und Weise zustande kommen konnte, sollten einmal bedenken, dass sie ihre Politik der Sozialstaatsdemontage lediglich mit der kleinsten Fraktion im Bundestag, der FDP, praktizieren konnte. Die Liberalen haben damals die CDU ausschließlich in die Ecke dieser Politik gedrängt und haben Sozialleistungen für den Bürger immer weiter abgebaut.

Hier sollte sich die CDU überlegen, ob dies gerecht war, eine Politik mit einer solch weitläufigen Effizienz und mithilfe der kleinsten Bundestagsfraktion zu praktizieren. Während sich die CDU hier die Wunden leckt, sollte sie auch nicht vergessen, dass das gesamte Wahlergebnis bis hin zur Wahl des Ministerpräsidenten nach den Spielregeln unserer Demokratie zustande kam. Herr Ramelow, die Linke, die SPD, die CDU und die Grünen wurden nämlich alle vom Wähler in freier und geheimer Wahl gewählt. GEORG DOVERMANN, Bonn