Die EU widmet sich der Feinarbeit

Die Außenminister beginnen mit einer auf drei Monate angesetzten Regierungskonferenz, die den neuen Grundlagenvertrag erarbeiten soll. Die Verhandlungen sollen möglichst transparent geführt werden. Doch die Konflikte können wieder aufbrechen

Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn sich Polen an die Vereinbarungen hält

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Das Wörtchen „Mandat“ wird zurzeit in Brüssel wie ein Mantra benutzt. Gemeint ist das Mandat für die Vertragsreform, auf das sich alle 27 EU-Mitglieder beim Gipfel im Juni unter deutscher Ratspräsidentschaft geeinigt hatten. „Das Mandat ist die einzige Grundlage und der ausschließliche Rahmen. Wir werden nicht einen Millimeter vom Mandat abweichen“, erklärte beschwörend der portugiesische Außenminister Luis Amado bei der feierlichen Eröffnung der Regierungskonferenz, die den EU-Vertrag überarbeiten soll. Auch die polnische Außenministerin habe bekräftigt, dass sie damit einverstanden sei. Jeder könne die polnische Erklärung im Internet nachlesen.

Damit löst die portugiesische Ratspräsidentschaft das Versprechen ein, die Verhandlungen möglichst transparent zu führen. Nach Ansicht von Jo Leinen (SPD), dem Vorsitzenden des Verfassungsausschusses im Europaparlament, ist das nur recht und billig. Der taz sagte er: „Die Inhalte des neuen Vertrages sind von einem Konvent erarbeitet worden, der in völliger Offenheit getagt hat. Eine Regierungskonferenz ist dagegen ein Rückschritt. Das kann nur durch die Veröffentlichung aller Texte und sämtlicher Probleme bei den Verhandlungen kompensiert werden.“ Drei Parlamentsvertreter nehmen an der Konferenz teil. Sie werden, so Leinen, „die Brücke schlagen zur Zivilgesellschaft und den nationalen Parlamenten“.

Einer von ihnen, der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU), beschrieb die Rolle der Abgeordneten so: „Wir werden Garanten des Mandats und der Substanz der Reform sein. Wir werden darauf achten, dass die erreichten Rechte erhalten bleiben und nicht der juristischen Feinarbeit zum Opfer fallen.“

Von heute an werden sich die Fachleute über den Entwurf beugen. Bis zum informellen Gipfel in Lissabon Mitte Oktober sollen sie die Reformvorschläge so in die bestehenden Verträge, Erklärungen und Protokolle eingearbeitet haben, dass ein in sich schlüssiges Vertragswerk entsteht. Ratspräsident Amado schließt aber nicht aus, dass bei dieser Feinarbeit die politischen Konflikte wieder aufbrechen.

Noch skeptischer äußert sich Jo Leinen: „Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn sich die polnische Regierung an die Vereinbarungen hält. Ich rechne über die Sommerpause mit einigen Überraschungen.“ Strittig ist vor allem, unter welchen Bedingungen eine in der Abstimmung unterlegene Regierung verlangen kann, dass eine mit qualifizierter Mehrheit getroffene Entscheidung an den Rat zurückverwiesen wird. Diese Möglichkeit gibt es schon jetzt, doch Polen will sie ausweiten. Praktische Erfahrungen mit dem Verfahren fehlen aber, da es bislang nur ein einziges Mal angewandt wurde.

Theoretisch kann jeder Bürger den Fortgang der Verhandlungen unter http://www.eu2007.pt/UE/vEN/ verfolgen. Tatsächlich bleibt der bislang nur auf Französisch vorliegende 145-seitige Vertragsentwurf eine Domäne der Juristen. Ein „vereinfachter Vertrag“ kann in der EU eine ziemlich komplizierte Angelegenheit sein.