ROTE AMPEL
: Wollüstige Weiber

„Allet Organspender“, sagt die eine Frau zur anderen

Ich bin mit dem Fahrrad auf der Gneisenaustraße unterwegs. „Entschuldigung, kennen Sie hier in der Nähe einen Laden, der Wollust heißt?“, fragt eine grauhaarige Dame, die hinter dem Steuer eines kleinen, roten Autos sitzt. Sie sieht sehr gepflegt aus und hat an der Kreuzung Mittenwalder Straße, Ecke Gneisenaustraße angehalten und ihr Fenster runter gekurbelt.

Ein jüngerer Mann vor mir auf einem Rennrad bleibt stehen und sagt: „Ich kenn nur Zwanglos III, den Swingerclub um die Ecke“, sagt er. „Wollust ist ein Strickladen“, antwortet die Dame knapp und kurbelt ihr Fenster wieder hoch. Bei Grün fährt sie weiter, auf der Suche nach Wolle, nicht Lust.

Vor der Garnisonskirche am Südstern stehen zwei Frauen im ähnlichen Alter wie die wollüstige von gerade eben und schauen den Radfahrern dabei zu, wie sie über die rote Fahrradampel fahren. Es fahren erstaunlich viele Radfahrer bei Rot. Die meisten tragen keinen Helm.

„Allet Organspender“, sagt die eine Frau zur anderen. Die andere nickt. Vielleicht stehen die beiden ja dort öfters. Ich warte darauf, dass die Ampel wieder grün wird.

„Frauen haben jetzt Besseres zu tun“, steht auf dem Plakat. Man sieht einen Leonardo-di-Caprio-Verschnitt am Bug eines Schiffes stehen. Die Arme weit ausgestreckt, ganz so wie in dem Film „Titanic“. Was auf dem Bild fehlt, ist Rose, seine weibliche Gegenspielerin. Er sieht ein bisschen lächerlich aus, wie er da so allein steht. „Super Werbung“, denke ich. Frauen haben tatsächlich was Besseres zu tun, als einem Eumel dabei zuzuhören, wie er „Ich bin der König der Welt“ schreit.

Sicher eine Werbung für irgendeine Arbeitsvermittlungsagentur für Frauen oder so was, denke ich mir. Erst auf den zweiten Blick bemerke ich, dass es sich um das Werbeplakat eines neuen Frauenfernsehsenders handelt. MAREIKE BARMEYER