Afghanistans friedlicher Herrscher

Mohammed Sahir Schah, der letzte König Afghanistans, ist gestern gestorben. Er saß von 1933 bis 1973 auf dem Thron, wurde von einem Cousin gestürzt und kehrte erst 2002 aus dem Exil zurück FOTO: REUTERS

Der letzte afghanische König ist gestern Morgen in Kabul, kurz vor seinem 93. Geburtstag, an Altersschwäche gestorben. Mohammed Sahir Schah sei im Bett verschieden, versicherte ein Regierungssprecher, als sei dies eine ungewöhnliche Todesart für Afghanistan.

Bereits als 17-Jähriger heiratete Sahir Schah die 13-jährige Homairah Begum, die von 1932 bis 1957 acht Kinder zur Welt brachte. Nach dem Mord an seinem Vater Nadir bestieg Sahir als 19-Jähriger den Thron. Während der folgenden 40 Jahre gelang es ihm, sein Land aus den großen Konflikten, dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg, herauszuhalten.

In den Augen vieler Afghanen begann der Abstieg des Landes in Krieg und Chaos, als Sahirs Cousin Mohammed Daud 1973 einen Italien-Aufenthalt des Königs nutzte, um ihn abzusetzen und ins Exil zu zwingen. Daud wurde ermordet, die Kommunisten kamen an die Macht, und sechs Jahre nach Schahs Absetzung rollten sowjetische Panzer über den Amu Daria und den Hindukusch ins Land. Es folgte der 12-jährige Krieg der Mudschaheddin, danach sechs Jahre Machtkämpfe in Kabul, die ihrerseits die Taliban und ihr Schreckensregime aufs Tapet brachten.

Nach deren Vertreibung im November 2001 öffnete sich kurz ein neues Fenster der Hoffnung. Wiederum fiel diese kurze Periode zusammen mit der Präsenz des Königs, der sich trotz seines hohen Alters und seiner Villa in Rom aktiv in den „Bonner Friedensprozess“ einschaltete. 2002 kehrte Sahir Schah nach Afghanistan zurück. Doch er wusste, dass es nicht mehr dasselbe Land war. 23 Jahre Krieg, Massenflucht und eine verlorene Generation, die in Lagern aufgewachsen war, hatten Gräben in die Gesellschaft gerissen, die nicht mehr zuzuschütten waren. Im Dezember stellte der König der großen Ratsversammlung seinen Titel zur Verfügung. Der Grund war nicht, dass er ein Relikt aus einer feudal-tribalen Zeit war. Denn er selbst hatte 1964 die Verfassung geändert, sich den bescheideneren Status eines konstitutionellen Monarchen gegeben und das allgemeine Wahlrecht – auch für Frauen – eingeführt. Aber ein alter Mann passt nicht in eine Zeit religiös verbrämten Terrors und des einschüchternden Abwehrapparats, den dieser mobilisiert.

Mit dem Titelverzicht machte Sahir Schah den Weg zum Staatsoberhaupt für Hamid Karsai frei, der ihm damals den Ehrentitel eines „Vaters der Nation“ übertrug. Doch für viele Afghanen konnte dies den fast magischen Schutz, den der regierende Fürst in ihren Augen über sein Land ausgeübt hatte, nicht ersetzen. Zu tief saß in ihnen der Glaube, dass er als König dem Land Glück gebracht hatte. BERNARD IMHASLY