TAZ-ADVENTSKALENDER: RICHARDSTRASSE 9
: Deutsche versenken im Keller

10. DEZEMBER In der Neuköllner Kneipe „Sameheads“ gibt es links Getränke und rechts Entwürfe junger Designer – und jeden Dienstag mutiert der Ort zum Epizentrum englischsprachiger Comedy in Berlin

„Fashion – Art – Café“ steht über der Tür, drinnen gibt es Kunstinstallationen, Projektionen an der Wand und die obligatorischen Sofas. Wir befinden uns – natürlich – in einer Kneipe in Neukölln, wobei das Wort „Kneipe“ eigentlich viel zu urige Assoziationen weckt für diesen Laden, der seine Hipness dem Besucher förmlich entgegenschleudert. An diesem Nachmittag ist es noch leer. Elektronische Musik tröpfelt durch den Raum, an der Bar steht Harry Dukes und rührt im Glühwein. Der Brite betreibt das Sameheads gemeinsam mit seinen beiden Brüdern. Früher hatten sie ein Modegeschäft in Kreuzberg, mit dem Umzug in die Richardstraße vor fünf Jahren kam die Bar dazu.

Jetzt gibt es im linken Raum Getränke, im rechten kann man Entwürfe junger Designer bestaunen und kaufen. Im Keller werden am Wochenende Partys gefeiert, denen man nachsagt, sie seien der Versuch der Expat-Szene, die vielbeschworene und mittlerweile kaum mehr zu findende Berliner Untergrund-Clubkultur zu imitieren, von der man doch so viel gehört hatte, bevor man nach Berlin kam.

„Wir sind eine Plattform für Kreative“, sagt Dukes, „ein Ort, an dem Mode, Kunst und Musik zusammenkommen.“ Dukes spricht lieber englisch als deutsch, so wie geschätzte 90 Prozent des Sameheads-Publikums. Es sei ein Nebeneffekt, kein Bestandteil ihres Konzepts, dass ihre Kundschaft hauptsächlich aus jungen, englischsprachigen Menschen bestehe, sagt er.

Am vollsten ist das Sameheads immer am Dienstagabend, dann gibt es im Keller englischsprachige Comedy, also eine Unterhaltungsform, die mit dem, was in Deutschland gemeinhin unter diesem Begriff verstanden wird, wenig gemeinsam hat. Die Show mit dem Titel „We are not gemüsed“ ist das „Epizentrum englischsprachiger Comedy“ in Berlin und damit möglicherweise auch in Deutschland, wie KennerInnen der Szene erklären. Eine Mischung aus Szeneberühmtheiten und Open Stage, eine Prise Chaos und gut gelauntes Publikum tragen zu einem tatsächlich ziemlich witzigen Abend bei. Zum Aufwärmen spielt man „Deutsche versenken“: Eine Handvoll Freiwillige auf der Bühne muss die vereinzelten Deutschen im Publikum erraten, die alsdann unter der Produktion von Explosionsgeräuschen von ihrem Stuhl sinken müssen.

Ein Laden für englischsprachige Hipster? So will Dukes das nicht stehen lassen, er betont die guten Kontakte in die Nachbarschaft. So ganz überzeugend ist das nicht, zumal er an Kontakten nur Läden mit ähnlichem Zielpublikum nennt. Macht ja aber auch nichts, zumindest so lange, wie es in der Gegend auch Angebote für Leute gibt, die es etwas weniger ambitioniert mögen.

MALENE GÜRGEN