Unerbittlich

Postbote vs. Potter

Samstag, zwei Uhr nachmittags. Ich schleiche in der Wohnung meines Freundes herum. Ob der Postbote immer so spät kommt, frage ich. Mein Freund zuckt mit den Schultern. Heute ist es so weit. Heute kommt der neue „Harry Potter“ raus. Ich habe ihn mir in weiser Voraussicht zur Adresse meines Freundes bestellt. Jetzt mache ich mir Sorgen um den Postboten. Es könnte ja sein, dass er krank ist.

Es klingelt.

„Hallo“, brülle ich in die Sprechanlage. „Post“, kommt es zaghaft zurück. Zu zaghaft für meinen Geschmack. Ich horche ins Treppenhaus hinaus. Nichts. Keine schweren oder leichten Schritte, kein Klatschen oder Klappern von einer eingeworfenen Großpostsendung im Briefkasten. Ich renne die Treppen fünf Stockwerke nach unten, barfuß und bloß in Unterhose und T-Shirt. Ich reiße die Haustür auf. Der Postbote schaut grimmig und schwitzt. „Wollen sie zu Fritsche?“, frage ich. „Will ick“, sagt der Postbote. „Wohnt hier aber nich“, fügt er hinzu und will das Päckchen wieder einstecken. Mir fällt ein, dass der Nachname meines Freundes falsch geschrieben ist am Klingelschild. Das sage ich auch dem Postboten. „Dit kann ja jeder sagen“, sagt er. Ich zerre ihn in den Hausflur, um ihm das Schild auf dem Briefkasten zu zeigen, auf dem der Name richtig steht. Er inspiziert es misstrauisch, holt aber seinen Unterschriftenapparat heraus und fragt: „Und wie heißen Sie?“ „Barmeyer“, sage ich und meine Stimme zittert. „Ich stehe aber gar nicht am Briefkasten. Ich wohne nämlich gar nicht hier.“ Der Postbote schaut mich irritiert an. „Ich ziehe aber bald ein“, sage ich. „Versprochen“, flehe ich und strecke fordernd meine Hand nach dem Päckchen aus. „Wohnt nich, geht nich“, sagt der Postbote und geht.MAREIKE BARMEYER