DVDESK
: Tote Wimmelbilder

„Goltzious & The Pelican Company“ (GB 2012; Regie: Peter Greenaway)

Aber Greenaway denkt das Kino nicht von der Kamera her, sondern von ihr weg

Seit Jahr und Tag erklärt Peter Greenaway das Kino für tot, mit der Ausnahme, versteht sich, des eigenen Werks; die Filme, die fast keiner mehr sehen will, sind freilich die seinen. So hat er sich vom Kunstkino-Star, der er in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren war, in eine merkwürdige Form von Abseits bewegt. Er dreht immer weiter, man gibt ihm das Geld, resigniert ist er nicht. Die Ambitionen sind so groß wie eh und je, wenn nicht größer, sein ziemlich monomanes „Tulse Luper“-Projekt von 2004 umfasste nicht nur drei Spielfilme, sondern zig DVDs, CD-ROMs und auch Bücher. Im Kino sieht man die Filme nur selten, auf den Festivals werden sie eher in Nebenreihen gezeigt, am ehesten interessiert sich für den Postkinokünstler Peter Greenaway wohl die Kunst. Aber auch nicht so sehr.

Das jüngste Werk, es stammt aus dem Jahr 2012, ist ein Historienfilm. „Goltzius & The Pelican Company“ erzählt von einer real existierenden Figur, dem niederländischen Maler und Kupferstecher Hendrick Goltzius, der um 1600 gelebt hat. Im Kern ist wahr, was man im Film zu sehen bekommt. Goltzius sucht mit seiner Schauspieltruppe einen Markgrafen auf, von dem er im Gegenzug für die Aufführung pornografischer Szenen beträchtliche Summen verlangt, um sein Druckereiunternehmen am Laufen zu halten. Wobei, die Sache mit den pornografischen Szenen – eine erotische Stellenlektüre des Alten Testaments – ist wohl historisch nicht wirklich verbürgt, sondern entspringt nur Greenaways immer schon aufs Gelehrteste versauter Fantasie.

Auch sonst trägt alles die Handschrift des Meisters: die Verknüpfung von Kunst, Bibel, Manierismus und Pornografie; die vom Barock inspirierte Musik, schon lange nicht mehr von Michael Nyman, sondern hier vom Cellisten Marco Robino; und vor allem die Behandlung des Kinos als Verfahren der Stapelung, Schichtung und des Ineinanderkeilens von Bildern. Die Ebene der traditionellen Aufzeichnung eines gespielten realen Geschehens allerdings existiert doch weiterhin.

Aber Greenaway denkt das Kino nicht von der Kamera her, sondern im Gegenteil von ihr weg. Sie schafft nicht den Raum, nicht den Kader und also auch nicht das Bild. Das wird vielmehr digital komponiert: So werden Schriften über die verschiedenen Bildebenen geblendet, es tut sich in einem Bildkasten dies, in einem anderen Bildkasten das. Manchmal ist’s auch wie am CAD-Reißbrett entworfen, sieht billig aus, ein avantgardistisch auf Zukunft gepimptes Arte-Povera-Kino. Das Rohe – nackte Leiber, wohin man blickt, auch der von Lars Eidinger ist darunter – und das Postproduktionsdigitale: Hier wird beider Verschmelzung Ereignis.

Im Ergebnis sieht es dennoch nach einer Vorstellung von der Zukunft des Kinos aus, über die die Zeit dann längst hinwegging: Greenaway steckt in einer CD-ROM-Idee vom Kinematischen fest. Er bringt die Künste zusammen, aber da stehen sie im digitalen Bild nun ziemlich ohne Zusammenhang rum.

Sogar die Darsteller gehen so unter, immerhin F. Murray Abraham, zuletzt in „The Grand Budapest Hotel“ zu sehen, als erotisch gekitzelter Mäzen, und in der Rolle des Goltzius der halb-palästinensische, halb-niederländische Ramsey Nasr, der nicht nur ein sehr apartes Englisch spricht („föcking“), sondern in den Niederlanden auch als Dichter berühmt ist, und sogar vier Jahre lang Hollands Poeta laureatus war. Hilft alles nichts. Es wimmelt im Bild, und doch ist es tot.

Sehenswerter fast als der Film ist das wichtigste DVD-Special-Feature. Ein als Interview deklarierter Greenaway-Monolog ohne Punkt und Komma und über Darwin, Gott, die Kunst, den Sex und die Welt. So viel Energie und Lust am Rumschwadronieren. Der Film, der dabei vor dem geistigen Auge entsteht, ist aber leider viel interessanter als das, was man auf dem DVD-File zu sehen bekommt, das den Titel „Goltzius“ trägt. EKKEHARD KNÖRER

■ Die bei Axiom Films erschienene DVD kann man ab rund 13 Euro aus Großbritannien bestellen