taz-serie „ins wasser gefallen“ (teil 1): paddeln auf der dahme
: Zwischen Fontane und Tom Cruise

Ist der Sommer ins Wasser gefallen? Natürlich nicht. Es sei denn, die Rede ist vom Wassertourismus, der in Brandenburg mit seinen 3.000 Seen und 33.000 Kilometer Fließgewässern immer größeren Zulauf findet. Vom Paddeln bis zum Charterbootfahren – alles ist möglich, wie die taz-Serie zeigt

15 Großschutzgebiete kann Brandenburg sein Eigen nennen, darunter einen Nationalpark (Unteres Odertal), zwei Biosphärenreservate (Schorfheide-Chorin und Mittlere Elbe) sowie zwölf Naturparks. Doch nur einer davon ist zugleich auch ein Paradies für Wassersportler – der Naturpark Dahme-Heideseen südöstlich von Berlin.

Los geht es am Bootsverleih in Blossin am Wolziger See. Dort kann man nicht nur Kanus oder Canadier mieten, sondern auch vereinbaren, wann und wo man mit den Booten wieder abgeholt und nach Blossin zurückgebracht wird. Kein schlechter Service, doch wir steigen mit einem alten Faltboot Marke Poucher RZ in den See. Zelt, Proviant und Klamotten sind in wasserdichten Säcken verstaut – die Tour de Natur kann losgehen.

Zunächst einmal wundern wir uns über den Verkehr. Auf der Dahme zwischen Langem See und der Schmölde herrscht Hochbetrieb. Von großen Angeberjachten bis zu Schlauchbooten mit Hilfsmotor ist alles unterwegs, kleine Boote mit Baldachin erinnern an chinesische Dschunken. So viel Verkehr war nicht einmal auf der Landstraße nach Blossin.

Aber die Dahme und die umliegenden Heideseen sind auch ein Verkehrskreuz auf dem Wasser. Über Dolgenbrodt geht es über den Dolgensee Richtung Königs Wusterhausen und Zeuthen nach Berlin. Von Blossin kommt man über den Wolziger See zum Scharmützelsee und nach Bad Saarow. Dahme aufwärts geht es über Märkisch-Buchholz in den Unterspreewald. Wer viel Zeit und Muskelkraft hat, kann von dort über Beeskow und Fürstenwalde auf der Spree zurück nach Berlin paddeln.

Wir haben weder Zeit noch Angeberjacht und haben deshalb ein anderes Ziel angepeilt: den Groß Köriser See kurz vor dem Teupitzer See. Hinter der Brücke nach Prieros, das mit einer psychedelischen Geschichte in Ingo Schulzes Erzählband „Handy“ Einzug in die literarische Landkarte gehalten hat, ist der Engpass auf der Wasserautobahn überwunden. Vor uns liegt die Schmölde, ein langgestreckter See mit zahlreichen Sandstränden. Für viele Angeberjachten ist hier schon Schluss. Der Weg von Berlin ist weit, also liegen sie hier vor Anker, um am Abend wieder in Köpenick sein zu können. Wir suchen uns zum Picknick eine kleine Bucht, an der für Sportboote Halteverbot gilt. Einsam ist sie aber nicht, am Wochenende herrscht auf der Dahme und den Heideseen überall Hochbetrieb.

Die größere Schwester der Schmölde ist der Hölzerne See. Etwas geschafft machen wir am späten Nachmittag am Campingplatz Dubrow Quartier. Im Internet hatte der Zeltplatz mit einem Fontane-Zitat geworben. 1874 war der Wanderer durch die Mark Brandenburg von Köpenick nach Teupitz gesegelt und hatte seine Beobachtungen „an Bord der Sphinx“ festgehalten. Wir haben Fontane mitgenommen. Beim kühlen Bier vorm Zelt liest sich „Fonte“ fast wie ein Zeitgenosse Ingo Schulzes, nur dass ihm das Psychedelische fehlt: „Mit der Einfahrt in die ‚Schmölte‘ waren wir, um es zu wiederholen, in den ‚inneren Zirkel‘ dieses Reviers eingetreten.“ Und weiter auf dem Hölzernen See: „Die Landzungen schoben uns immer neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete Coulissen in den Weg; in Schlängellinien umfuhren wir sie, ein paar Geleit gebende Reiher hoch über uns in den Lüften. So kamen wir von der Schmölte in den Hölzernen See.“

Die Coulissen, die Fontane beschreibt, waren Sonnenstrahlen, die gegen Abend in die zahlreichen Lichtungen fallen und Schatten und Sonne schon stark voneinander scheiden. Unsere Coulissen sind neben den Zelten der anderen Paddler die zahlreichen Boote und Jachten, die immer noch auf dem Hölzernen See unterwegs sind. Offenbar fährt nicht jeder am Abend in den Heimathafen zurück.

Am nächsten Morgen geht es weiter, gegen Mittag haben wir den Klein Köriser See erreicht, bald werden wir in Groß Köris sein. Dort erwartet uns ein Freund mit dem Auto und übernimmt das Boot. Doch plötzlich das: Über dem Paddelboot rauschen zwei Ju52 vorbei, Weltkriegsflugzeuge mit Hakenkreuzbinde. Ist das die neue Fliegermode in der Mark? Erst zu Hause klärt sich das Rätsel. Tom Cruise war ebenfalls in Klein Köris – und das Hakenkreuz eine Film-„Coulisse“. UWE RADA