Der Rasmussen vom Rad holte

Der dänische Sportjournalist Niels Christian Jung, 37, einst selbst Rennradler, kam erst den Dopinggeheimnissen von Bjarne Riis auf die Spur und nun den Lügen von Michael Rasmussen FOTO: ULLA VOIGT

Es ist schon irgendwie surreal“, sagte Niels Christian Jung in einer ersten Stellungnahme: „Und wahnwitzig. Ich komme mir vor wie in einem Film.“ Die Enthüllung des dänischen TV-Journalisten, sein Landsmann Michael Rasmussen sei im Juni zeitweise nicht, wie von ihm beteuert, in Mexiko gewesen, sondern hätte sich in den Dolomiten für Dopingwächter unerreichbar gemacht, war der berühmte Tropfen, der beim Rasmussen-Team Rabobank Mittwochabend das Fass zum Überlaufen brachte. Es ist bereits das zweite Mal, dass Jung einen dänischen Nationalhelden vom Rad holt.

1992 berichtete der Sportwissenschaftler erstmals von einer Tour de France. Seit er 1995 während der Dänemark-Rundfahrt beim Stöbern im Abfall aus dem Hotelzimmer von Bjarne Riis zwölf gebrauchte Spritzen und zehn Medikamente, darunter eine Ampulle mit Epo-Resten fand, war der Journalist vom Doping des Radprofis überzeugt. 1999 zeigte das dänische Fernsehen eine Dokumentation über die Detektivarbeit Jungs und seines Kollegen Olav Skaaning Andersen. Doch auch die erdrückenden Indizien im später preisgekrönten Dreiteiler „Der Preis des Schweigens“ veranlassten Riis nicht, auszupacken. Bis zum 25. Mai 2007 sollte es dauern, bis der CSC-Teamchef die lang bekannten Fakten endlich zugab.

Nachdem Jung sich zwischenzeitlich mit den Machenschaften der Vermittler von jungen Fußballtalenten beschäftigt hatte, konzentrierte er sich seit 2006 wieder verstärkt auf das Thema Doping. Dass er Rasmussens Lügen auf der Spur war, musste allen FernsehzuschauerInnen klar sein, die Andeutungen in seinen Tour-Kommentaren der vergangenen Tage hörten. Seinen neuen „Skalp“ betrachtet er mit gemischten Gefühlen: „Einerseits empfinde ich ja große professionelle Zufriedenheit. Andererseits habe ich aber seit vielen Jahren einen großen Respekt vor Michael Rasmussen, der ein fantastischer Radfahrer ist. Aber das ist nun mal mein Job.“

Jung habe „mit Hilfe umstrittener Methoden, die sich aber später als berechtigt erwiesen“, einen „neuen Standard im TV-Sportjournalismus“ gesetzt, sagt Jens Sejer Andersen von Play The Game, einer dänischen Organisation, die für ethische Werte im Sport kämpft. Und das zu einer Zeit, in der andere JournalistInnen unkritisch die Mär von einer „Selbstsanierung“ des Radsports nach dem „Festina“-Skandal von 1998 verbreitet hätten.

„Dabei war das ursprünglich nur ein persönliches Hobbyprojekt von mir“, sagt Jung: „Jahrelang hatte ich nicht im Traum geglaubt, so viel Material sammeln zu können, dass es reichen würde, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.“

REINHARD WOLFF