Adlerfeder und starke Worte

Drei Tage lang loderte vor dem Kongresszentrum von Winnipeg eine heilige Flamme. Sie sollte den 400 versammelten Häuptlingen Kanadas symbolisch Klugheit und Weisheit verleihen. Am Mittwoch haben sie schließlich den 53-jährigen Perry Bellegarde, den Vertreter der Cree- und Assiniboine-Indianer, zum neuen Chef des Dachverbands der kanadischen Indianer, der Assembly of First Nations (AFN). Der fungiert als Sprachrohr von knapp einer Millionen Ureinwohner. Zugleich vertritt er die rund 200 Reservate des Landes gegenüber der Regierung in Ottawa.

Unmittelbar nach seiner Wahl reckte Bellegarde eine Adlerfeder die Höhe, ein indigenes Symbol für Macht und Einfluss. „Ein Weiter-so wie bisher kann es nicht geben“, rief er seinen Kollegen zu und versprach, sich für mehr Selbstbestimmung für Kanadas Ureinwohner einzusetzen.

Bellegarde stammt von den Little-Black-Bear-Indianern aus der Prärieprovinz Saskatchewan und gilt als ein Häuptling der klaren Worte, der aber auch immer Kompromisse sucht. Seine gewinnende Art wird ihm zugute kommen, denn die Herausforderungen sind riesig. Er muss einerseits die untereinander zerstrittenen Stämme einigen, andererseits das zerrüttete Verhältnis der Ureinwohner zur Regierung kitten.

Dabei geht es um strittige Fragen wie Landrechte, die Ausbeutung von Rohstoffen, die Beseitigung der weit verbreiteten Armut und die hohe Kriminalität gegenüber indigenen Kanadiern. „Kanada ist Indianerland“, sagte Bellegard in seiner Antrittsrede, „ohne uns wird es auf unseren Territorien keine Pipelines mehr geben, keine Minen und auch keine neuen Strommasten.“ Doch trotz solch starker Worte zählt Bellegard zu den Moderaten, die Kompromisse mit der Regierung suchen. Vertreter von indigenen Basisbewegungen dagegen setzen nach Jahrzehnten gebrochener Versprechen seitens der Regierung auf Konfrontation und schrecken auch vor Hungerstreiks und Straßenblockaden nicht zurück.

Der Dachverband ist gespalten, so sehr, dass zur Wahl in Winnipeg nur 400 der 700 Stammesführer angereist sind. Bellegardes Vorgänger, Shawn Atleo, war an diesem internem Konflikt gescheitert. JÖRG MICHEL