Die Elite zahlt keine Gebühr

Deutsche Universitäten kämpfen mit allen Mitteln um die schlauesten Studenten. Ihr neuester Schachzug: Sie erlassen ihnen die Gebühren. Freiburg entscheidet nach IQ

BERLIN taz ■ Die Einführung von Studiengebühren treibt seltsame Blüten. Kaum werden sie eingefordert, gibt es Streit um die Frage, wer von den Studiengebühren befreit werden soll. Meist sind es soziale Gründe wie Kinderbetreuung oder eine Behinderung, die zu einer Befreiung führen. Vom Süden des Landes kommt nun jedoch der Trend, auch Hochbegabten ein Studium ohne Gebühren zu ermöglichen. Dies geschieht, weil die Hochschulgesetzgebung Ländersache ist. Jedes Bundesland regelt also individuell, ob es Studiengebühren nimmt, wie viele Studierende davon befreit werden – und welche Gründe zu einem solchen Erlass führen können.

In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen dürfen die Universitäten selbst entscheiden, ob sie Hochbegabten die Studiengebühren erlassen wollen. Unklar bleibt dabei jedoch, was Hochbegabung eigentlich ist und wie sie festgestellt wird. Dafür entwickeln die Hochschulen gerade eigene Kriterien. Viele Universitäten wollen dabei auf die Arbeit der Förderwerke zurückgreifen. Befreit werden nach ihren Plänen jene StudentInnen, die ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, einer konfessionellen oder politischen Stiftung haben.

Die Förderer sind begeistert. „Wir freuen uns für unsere Studierenden, wenn sie einen Erlass bekommen“, sagt Cordula Avenarius, Sprecherin der Studienstiftung. Dagegen lehnt Michael Hartmann, Eliteforscher an der Technischen Universität Darmstadt, diese Form der Gebührenbefreiung ab. „Mit den Stipendiaten der Förderwerke werden mehrheitlich die von den Gebühren befreit, die das am wenigsten nötig haben“, sagt er. Die Zahlen belegen das. Von den 13.415 Stipendiaten der elf Begabtenförderwerke erhielten 2005 über 42 Prozent nur Büchergeld. Der Grund: Sie sind Studierende mit „hoher Einkommenssituation“.

Besonders stark vertreten sind gut situierte Studierende bei der Studienstiftung des Deutschen Volkes, der größten Fördereinrichtung in Deutschland. Die Stiftung vergibt ihre Stipendien allein nach Leistungskriterien. Mehr als 51 Prozent ihrer Stipendiaten bekamen 2005 nur Büchergeld, haben also finanzkräftige Eltern. Nur knapp 16 Prozent kamen dagegen in den Genuss eines Vollstipendiums.

Die Sprecherinn der Studienstiftung sieht einen Grund für den neuen Trend, Studierende mit überdurchschnittlichen Begabungen von den Gebühren zu befreien, im zunehmenden Wettbewerb der Hochschulen um Exzellenz und Elite. „Die Universitäten überlegen sich jetzt, wie sie sehr gute Studierende gewinnen“, meint sie. Freiburg und Konstanz gehen im Kampf um Studierende sogar noch weiter.

Nicht nur den Stipendiaten der Förderwerke – die 481 Studierenden machen etwa drei Prozent von Freiburgs Studierenden aus – werden die Gebühren erlassen. Auch wer einen Intelligenzquotienten von über 130 nachweisen kann, wird für drei Semester von den Gebühren befreit. Als Nachweis gelten Zertifikate von Mensa, einem Verein für Hochbegabte.

In Freiburg kamen im Sommersemester allerdings nur 21 Studierende in den Genuss der Befreiung. „Wir wollten das einfach mal ausprobieren“, sagt Universitätssprecher Rudolf-Werner Dreier. Er glaubt nicht, dass diese Regelung die soziale Auslese verstärkt: „Wir wollen die besten Köpfe gewinnen, ohne dass soziale Hürden aufgebaut werden.“ Eliteforscher Hartmann setzt dagegen, dass auch IQ-Tests nicht neutral sind: „Studierende aus den sogenannten bildungsnahen Schichten haben einfach die besseren Voraussetzungen, um sich Wissen anzueignen. Außerdem kennen sie das Prozedere von Auswahlverfahren und haben weniger Angst davor.“

Süddeutsche Unis sind derweil findig, wenn es um Wege geht, Studierende mit überdurchschnittlicher Begabung zu fördern. Die Universität Mannheim hat sogenannte Gebührenstipendien ins Leben gerufen, die im Wintersemester 2007/2008 erstmalig vergeben werden. Das Prinzip dahinter: Wer sich auszeichnet, bekommt seine Gebühren zurück. Zu den Sponsoren gehören auch die Deutsche Bank und die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar. Selbstverständlich können die Geldgeber entscheiden, welches Studienfach sie unterstützen wollen. Bisher gibt es 116 Stipendien, die den jeweils Besten der Fächer zugute kommen sollen. ANNEGRET NILL