In Oaxaca herrscht keine Feststimmung

In der südmexikanischen Stadt kommt es wieder zu Straßenschlachten und Protesten. Anlass ist das Volksfest Guelaguetza: Der umstrittene Gouverneur Ruiz lässt die Touristenattraktion durchführen, doch soziale Bewegungen boykottieren die Feier

VON JULIANE SCHUMACHER

Am heutigen Montag geht die Guelaguetza zu Ende. Das traditionelle Fest lockt jedes Jahr zahlreiche TouristInnen nach Oaxaca, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Süden Mexikos. Doch von Feststimmung ist in Oaxaca derzeit nichts zu spüren, und statt TouristInnen streifen Polizei- und Militärpatrouillen durch die Stadt. Ein Jahr nach dem Beginn des mehrmonatigen Volksaufstandes im Juni 2006 herrscht in Oaxaca erneut der Ausnahmezustand.

Am 16. Juli lieferten sich Mitglieder und SympathisantInnen der Versammlung der Völker Oaxacas (Appo) mehrstündige Straßenschlachten mit der Polizei. Beide Seiten warfen Steine, stürzten Busse um und zündeten sie an. Anlass war die Weigerung der Polizei, eine Demonstration der Appo zum Festplatz auf dem Hügel Fortín passieren zu lassen, wo eine alternative Guelaguetza gefeiert werden sollte. Die „offizielle“ Guelaguetza lehnen Teile der Bevölkerung wegen hoher Eintrittspreise und der Ausrichtung auf TouristInnen ab. Im vergangenen Jahr war sie wegen Protesten abgesagt worden.

Statt in einem Fest endete der 16. Juli in Gewalt: Von mindestens 40 Verletzten und 60 Verhafteten berichtete die mexikanische Tageszeitung La Jornada. Appo-SprecherInnen warfen der Polizei willkürliche Verhaftungen und Übergriffe vor. Die Lokalzeitung Noticias de Oaxaca veröffentlichte Fotos, die dokumentieren, wie Polizisten den 43-jährigen Lehrer Emeriterio Merino Cruz nach seiner Verhaftung schwer misshandeln. Er schwebt weiter in Lebensgefahr.

Am darauf folgenden Montag begann unter hohen Sicherheitsvorkehrungen die offizielle Guelaguetza. Appo und die Gewerkschaft der LehrerInnen (SNTE) riefen zum Boykott des Festes auf. Während Polizei und Militär den Festplatz auf dem Hügel Fortín abschirmen, war die Stimmung in der Stadt angespannt. SprecherInnen der Appo berichteten am Freitag von weiteren Verhaftungen und Morddrohungen gegen AktivistInnen. Für den heutigen Montag, den letzten Tag der Guelaguetza, kündigten Appo und SNTE Blockaden an.

Bereits seit Mitte Juni hatte sich abgezeichnet, dass es im Vorfeld der Lokalwahlen am 5. August in Oaxaca erneut zu Konflikten kommen könnte. Soziale Bewegungen fordern seit über einem Jahr den Rücktritt des Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz von der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI). Sie werfen ihm schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Nachdem Ruiz im Juni 2006 versucht hatte, einen Streik der LehrerInnen gewaltsam zu beenden, war es zu einem mehrmonatigen Volksaufstand in Oaxaca gekommen, den Armee und Bundespolizei im November niederschlugen. Mindestens 27 Menschen verloren während des Konflikts ihr Leben. Am 14. Juni dieses Jahres meldete sich die Volksbewegung mit einer Großdemonstration von 50.000 bis 200.000 Menschen zurück. Wenige Tage zuvor hatte sich die Guerilla Revolutionäres Volksheer (EPR) zu Anschlägen auf die staatliche Ölgesellschaft Pemex bekannt und dabei Bezug auf die Situation in Oaxaca genommen.

Ruiz gerät damit wieder unter Druck: Im vergangenen Jahr rettete ihn die Unterstützung des mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón vor einem Rücktritt. Dessen Partei der Nationalen Aktion (PAN) benötigt die PRI als Mehrheitsbeschafferin im Parlament. Derzeit hält sich Calderón zurück: Die Probleme in Oaxaca zu lösen sei Aufgabe des Bundesstaates, ließ die Regierung Calderóns am Samstag verlauten. Erst Ende Juni hatte das mexikanische Verfassungsgericht überraschend entschieden, eine Untersuchungskommission zu den Ereignissen in Oaxaca einzurichten – und darin sowohl die Rolle von Ruiz als auch von Calderón zu thematisieren.