TAZ-ADVENTSKALENDER: ZEUGHOFSTRASSE 13/14
: Flüchtlingsheim ohne Security

13. DEZEMBER Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür öffnen – und sich überraschen lassen

Wer es hinter diese Tür geschafft hat, hat doppelt Glück gehabt: einmal, weil er Krieg oder Verfolgung in seinem Heimatland entkommen ist, und zweitens, weil er gerade in dieses Kreuzberger Flüchtlingsheim gekommen ist.

Das alte Backsteingebäude, das heute 147 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Pakistan, Serbien und Vietnam beherbergt, wurde einst als Heim für Witwen und Waisen erbaut, dann als Altersruhesitz für Diakonissen, dann als Zufluchtsort erst für Verfolgte des Naziregimes, später für DDR-Flüchtlinge genutzt. Vor dieser langen Historie des Hauses als Asyl im Sinne eines schützendes Obdachs ist der Satz zu verstehen, mit dem Heimleiterin Christa Gunsenheimer – selbst Sozialpädagogin – ihre Haltung gegenüber ihrer Arbeit beschreibt: „Es ist ganz zufällig, dass ich hinter und die anderem vor dem Schreibtisch sitzen – es könnte ebenso gut andersherum sein.“

Und wahrscheinlich ist das genau die Haltung, mit der man ein Flüchtlingsheim so leiten kann, wie Gunsenheimer das tut: ohne Security eben zum Beispiel, dafür mit Nachtwachen, die ein offenes Ohr für die BewohnerInnen haben. Mit SozialarbeiterInnen, die selbst einst Flüchtlinge waren und die Lage, die Erwartungen, die Probleme der Neuankömmlinge gut kennen.

Freiräume nutzen

Oder indem man eine Roma- Familie, für deren Unterbringung der Bezirk nicht mehr zahlt, kurzerhand im zum Schlafzimmer umfunktionierten Frauencafé des Heims einquartiert: „Besser als jetzt mit dem Baby zurück in den Görlitzer Park“, hat die Heimleiterin pragmatisch entschieden. Mit dem Träger des Heims, dem Diakonischen Werk, hat sie das vorher nicht extra abgesprochen: Das sei ein „eher unkonventioneller Träger“, sagt sie: „Da habe ich gewisse konzeptionelle Freiheiten.“

Das Diakonie-Heim ist so etwas wie ein Juwel unter Berlins Flüchtlingsheimen: Pantryküchen in jedem der geräumigen Zimmer, die von zwei bis vier Personen bewohnt werden, die Flure sind neu gemacht und strahlen in sonnigem Gelb und Weiß, die alten Holzvertäfelungen an einigen Wänden der breiten Flure geben dem Haus einen fast vornehmen Charakter. Drei Gemeinschaftsräume gibt es für die Bewohner und Bewohnerinnen, ein neues Bad nur für Kinder und Frauen.

Der größte Unterschied zu anderen Heimen jedoch: die freundliche Atmosphäre – spürbare Willkommenskultur, wie sie oft gefordert wird, in vielen Anlaufstellen für Flüchtlinge jedoch immer noch fehlt.

Zu Weihnachten wünscht sich Christa Gunsenheimer übrigens „am liebsten Geldspenden. Sachspenden bekommen wir sehr viele, das ist auch toll“ (derzeit werden Teppiche benötigt). Aber mit den Kindern mal ins Schwimmbad gehen zu können – das wäre auch schön. ALKE WIERTH