ROLLENSPIELE
: Zu Hilfe

Frauen haben regelmäßig Blutverlust, sie sind schwach

Menschen begehen bevorzugt im Hotel Selbstmord, behauptet die jüngste Teilnehmerin im Stuhlkreis. Wir haben Namensschilder vor uns stehen und sagen, weshalb wir den Schein brauchen, der uns nach zwei Tagen zu Ersthelfern ernennt. Herr K., ein überaus beleibter Mann, ist unser Ausbilder in der Zweigstelle Rot-Weiß in Moabit.

Als Schlosser hat er angefangen, in den Polizeidienst wäre er gern getreten, schließlich sei er in der Telefonzentrale dieser Organisation gelandet. Er habe in diesem Jahr zum vierten Mal „genullt“ und sei „verheiratet – mit dem Fußball“. Wir erfahren im weiteren Verlauf, welcher Konsum ihm diese Wampe einbrachte: Seine Weißbierkästen lässt er in Rollenspielen von den Frauen in der Runde in den 4. Stock tragen. Bei solcher Anstrengung hat man als Frau, wie könnte es anders sein, einen Schwächeanfall und muss versorgt werden.

Überhaupt ist das weibliche Geschlecht in der Welt des Herrn K., der sich unumwunden als Fan von Mario Barth gibt, zweifelsfrei das schwache. Frauen haben regelmäßig Blutverlust, sie bekommen Thrombosen und können Verletzte nicht allein vom Fleck bewegen. Zum Thema Medikamentengabe hören wir: „Die meisten haben ja Medikamente in der Schreibtischschublade“, die Angestellten von Bank und Krankenkasse nicken.

Der Reihe nach rollen wir uns gegenseitig in die stabile Seitenlage, legen kunstvolle Verbände an und „setzen den Notruf ab“. Beim Thema Atemnot und Herzinfarkt wird unser Ausbilder geradezu aufklärerisch: „Auch Schwarzafrikaner werden blass.“ Nach der Herz-Lungen-Wiederbelebung an der berühmten Puppe zu einem leiernden Techno-Beat aus Vorzeiten wird am zweiten Tag die Bescheinigung ausgegeben. Diese Organisation hält Gender Mainstreaming vielleicht noch für eine Geländesportart. In zwei Jahren werde ich nur einen Tag absitzen müssen. FRANZISKA BUHRE