Hamburger Szene
: Voll krass romantisch

Kaum regnet es mal einen Abend nicht, schon tummeln sich Singles und Pärchen auf den Liegewiesen an der Außenalster. Romantischer kann es in dieser Großstadt kaum sein. Ein idealer Platz für Männer, einer Frau mal so richtig zu zeigen: Ja, ich verstehe was von Romantik.

Neben der Suche nach Sternen ist es aber oft nicht minder spannend, die Nachbarn ein wenig zu belauschen: Mit den Füßen im Wasser baumelnd sitzt ein Mittdreißiger, an seiner Seite eine Blondine mit amerikanischem Oststaaten-Akzent. Die erste halbe Stunde reden sie über Wohnungspreise in Europa: Hamburg habe die teuersten Wohnungen. Das Leben sei hier so exklusiv. Ja, ganz gewiss, London und auch Paris lägen weit unter dem Hamburger Niveau.

Doch dann beginnt er, über die Deutschen im Allgemeinen und deutsche Männer im Besonderen zu philosophieren. Es sei normal, dass sie Frauen bei der Unterhaltung auf die Brüste starren. Das gehöre zum guten Ton einfach dazu. Überrascht darüber, wie viel ich von diesem Mann noch lernen kann, bin ich mir sicher, dass er in seinem Niveau, die junge Amerikanerin abzuschleppen, nicht tiefer sinken kann. Aber ich irre mich.

Vielsprachig und zungenfertig übersetzt er sogar jegliche „Gros mots“ auch ins Deutsche. „je t’adore“, also ich begehre dich, wird bei ihm im Englischen zum sensiblen „fuck you“ und „fuck me“. Ich für meinen Teil habe eine Menge an diesem Abend gelernt, die Amerikanerin ganz sicher auch.

Als der selbst ernannte Deutschlehrer dann noch rasch in die Büsche pinkelt und danach der Lady die Hand reichen will, ist klar: Nach Hause gehen muss er allein. Birte Staude