Der Gewinnerabend

Allein in Berlin

Neulich Abend im Lido. Die Vorband beweist für meinen Geschmack zu viel Kondition und hört nicht auf zu spielen. Ich sehe mich um, einer der Kinosessel mit Blick auf das Frontgeschehen ist frei. Ist man ohne Begleitung unterwegs und hat keine Lust auf Konversation, empfiehlt sich ein Platz unter Frauen. Dachte ich.

„Auch alleine hier?“, freut sich prompt meine Nachbarin rechter Hand. „Ich kenn die ja gar nicht, aber ich habe die Karten gewonnen“, sagt sie. „Ich gewinne immer!“ Aha. „Letztens hatte ich Karten für die Deftones, da wollten alle mit. Aber die haben ja auch über 30 Euro gekostet.“ Ich signalisiere mit einem Weltschmerzblick, dass das von ihren Freunden ganz schön berechnend ist. „Letztens habe ich ein Auto gewonnen“, setzt sie nach. Ein wenig beeindruckt bin ich nun doch. „Aber ich hab ja ein Auto. Also habe ich es verkauft.“ Höflich frage ich nach dem Modell. „Twingo Cabrio. Für 7.000 Euro verkauft. Hinterher hab ich erfahren, er wäre 11.000 wert gewesen. Aber egal. Ich hab es ja gewonnen.“ Ich gebe auf.

Sie studiert in Potsdam, fährt aber regelmäßig – wegen ihrer Gewinne – nach Berlin. Ich kann selbst nur „Ich bin Praktik…“ hervorbringen, schon steigt sie ein: „Werbung? Garantiert!“ Nächste Frage: „Mainz, liegt das in Baden-Württemberg?“ Wieder falsch, doch für eine Antwort lässt sie mir keine Zeit. „Adele!“, strahlt sie mich an. Häh? „Sodele!“, ruft sie triumphierend. Mir dämmert, was sie meint. „Also eigentlich …“, setze ich an, doch gegen ihr Siegerlächeln habe ich keine Chance. „Ich find’s ja prima!“ Auf der Bühne kündet sich der Wechsel an. Ich nicke kurz und stelle mich nach vorn. Zwischen zwei Jungs, die mit leuchtenden Augen einfach nur die Sängerin ansehen.CHRISTINE KÄPPELER