MEIN LIEBER PROST!
: Nur Liebes Brief

Eine Kollaterale kapitalistischer Effizienzsteigerung?

Ein flüchtiger Blick auf die gemeinschaftliche Briefkastenzeile im Hausflur bringt Irritation ins müde Taumeln, auf dem Weg hinaus, in einen auf Regen gebürsteten Sommermorgen. Allen Nachbarn, die darum bitten, keine Werbung zugestellt zu bekommen, im Übrigen und wie auch bei mir in durchgehend ungemein behelfsmäßiger Weise, wurde ein sehr großer, gelber Aufkleber auf die Kästen gepappt.

Beim ersten Überfliegen offenbart sich schwarze Schrift, ein „Keine Werbung – Keine Zeitung“. Das sieht ziemlich gut aus, im Gegensatz zum nachlässigen Durcheinander aus selbst beschriebenen Post-its, Ausdrucken unter Folie-Tesafilm-Schichten und direkt auf den Lack gekritzelten oder gekratzten Abwehrausrufungen und Rechtsmittelandrohungen.

Ich bleibe stehen und fantasiere, ob das wohl alles Teil einer Effizienzinitiative der Deutschen Post ist. In stillem Einvernehmen mit Hausverwaltungen, die ordentliche Flure mögen und im Wirrwarr auf Briefkästen den Ursprung allen Übels sehen. Oder schlicht ein Hilfsmittel, damit es den sicher unter Zeitdruck stehenden Briefträgern leichter fällt, zu erkennen, wo Werbung unerwünscht ist und wo nicht? PR-Spielerei für Kundenzufriedenheit als Kollaterale kapitalistischer Effizienzsteigerung?

Das Postlogo am Fuß des Stickers lässt an all dem nicht zweifeln, irgendwie. Den Sticker betrachte ich jetzt genauer. In jeweils weiteren Zeilen steht da noch: „Keine Rechnung – Keine Mahnung“, und krönend in roten Lettern: „Nur Liebes Brief“, was meinem Wertesystem so richtig entspricht. Nur, warum heißt der Laden Deutsche Prost? Und warum hält das Posthorn rechts und links Bierkrüge, lacht aus seiner Mitte rotzfrech ein Gesicht? Mein Lieber Prost, der Street-Artist der allgegenwärtigen Lachgesichter, war hier im Hausflur aktiv! Danke für die Überraschung!

NIELS MÜNZBERG