Lebensgefahr für Menschenrechtler

TSCHETSCHENIEN Büro von Menschenrechtlern in Band gesteckt. Nach herabwürdigenden Äußerungen von Teilrepublikchef Ramsan Kadyrow über zwei Kritiker wächst die Furcht vor staatlicher Vergeltung

VON BERNHARD CLASEN

BERLIN taz | Erneut werden Menschenrechtler in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny bedroht. Am Samstagabend ging das Büro der Mobilen Menschenrechtsgruppe in Grosny in Flammen auf. Stunden zuvor hatten Zehntausende auf den Straßen von Grosny die Menschenrechtler zum Verlassen der Teilrepublik aufgefordert.

Nach einem Angriff auf das Pressehaus von Grosny am 4. Dezember, bei dem 14 tschetschenische Polizisten und 10 Aufständische ums Leben gekommen waren, hatte Tschetscheniens Republikchef Ramsan Kadyrow angekündigt, die Häuser der Verwandten von Aufständischen in Schutt und Asche zu legen. Wenig später gingen mehrere Häuser von Angehörigen Aufständischer in Flammen auf. Darauf forderte Igor Kaljapin, Vorsitzender der Mobilen Menschenrechtsgruppe, die russische Generalstaatsanwaltschaft auf, angesichts dieser gesetzwidrigen Sippenhaftung gegen Kadyrow tätig zu werden.

Am Sonntag wurden Igor Kaljapin und Sergei Babinez von der Mobilen Menschenrechtsgruppe in Grosny vorübergehend festgenommen, als sie sich mit Reportern von al-Dschasira treffen wollten. „Nach den Äußerungen von Ramsan Kadyrow besteht Grund zu äußerster Sorge für die Sicherheit von Igor Kaljapin. Auch der bis heute nicht aufgeklärten Ermordung Natalja Estemirowas waren herabsetzende Äußerungen des tschetschenischen Republikchefs vorausgegangen“, erklärte der Russlandexperte von Amnesty International, Peter Franck.

Die russische und tschetschenische Führung, so Franck, müsse alles tun, um die Übergriffe auf Angehörige der Mobilen Menschenrechtsgruppe öffentlich zu verurteilen, die Verantwortlichen ermitteln und zur Rechenschaft ziehen. Die jüngsten Vorfälle von Sippenhaftung in Tschetschenien machten erneut deutlich, dass es dort nur ein einziges Gesetz gäbe, den „Befehl von Ramsan Kadyrow“, kommentierte die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina die Vorfälle. „Und dessen Befehlen liegt eine terroristische Ideologie von kollektiver Verantwortung und kollektiver Bestrafung zugrunde.“ Moskau könne nicht nur Kadyrow für die Ereignisse verantwortlich machen. „Kadyrow ist von Putin in Tschetschenien eingesetzt worden. Solange Putin Kadyrow in seinem ungesetzlichen Vorgehen gewähren lässt, trägt er die Hauptverantwortung für die Gesetzlosigkeit in Tschetschenien.“