Wasserwerferopfer müssen zahlen

S 21 Unrühmliches Ende des Stuttgarter Prozesses: Verletzte sollen selbst einen Teil der Kosten tragen

STUTTGART taz | Der Stuttgarter Wasserwerferprozess ist endgültig eingestellt, nun ist die Kostenentscheidung gefallen: Vier Nebenkläger müssen ihre Anwaltskosten zu einem Drittel selbst bezahlen, weil die Kammer ihnen eine Mitschuld an der Eskalation im Schlosspark und ihren schweren Verletzungen gibt. Unter ihnen ist auch Dietrich Wagner, das prominenteste Opfer des Wasserwerfereinsatzes bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens am 30. September 2010.

Sein Anwalt sagt: „Einem dabei erblindeten Opfer auch noch ein Drittel der notwendigen Auslagen aufzubürden, ist zwar konsequente Fortsetzung einer mehr als fragwürdigen Entscheidung, verstärkt indes das Misstrauen des Mandanten gegen den Staat.“ Am 30. September 2010 hatte die Polizei den Auftrag, den Stuttgarter Schlosspark zu räumen, damit dort Bäume für das Bahnprojekt Stuttgart 21 gefällt werden konnten. Tausende demonstrierten dagegen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern vor. Laut Innenministerium wurden 164 Menschen verletzt, nach Zählung der Parkschützer mehr als 400. Dietrich Wagner verlor weitgehend sein Augenlicht.

Auf den „Schwarzen Donnerstag“ folgte ein Prozess: Zwei Polizisten wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt angeklagt, der Prozess aber nach einem halben Jahr eingestellt. Die Richterin sah nur eine geringe Schuld bei den Angeklagten. Sie müssen 3.000 Euro Strafe bezahlen, was sie nach taz-Informationen bereits getan haben – und nun auch zwei Drittel der Auslagen der Nebenkläger.

Das Gericht argumentiert, die Nebenkläger hätten sich bewusst im Einwirkungsbereich der eingesetzten Wasserwerfer aufgehalten und damit auch bewusst selbst gefährdet. Eine Nebenklägerin muss ihre Kosten sogar zu hundert Prozent selbst tragen. Die Richter sehen keine Hinweise darauf, dass die Frau tatsächlich am Kopf getroffen wurde. Das Gericht wertete nur Kopftreffer als rechtswidrig, im Gegensatz zu anderen Verletzungen wie Blutergüssen, die diese Frau an den Unterschenkeln erlitten hatte. Die Kosten je Nebenkläger dürften zwischen 10.000 und 15.000 Euro liegen.

Aus Sicht der Nebenkläger ein unrühmlicher Schlusspunkt. Die Strafkammer bekräftigte in ihrem Beschluss noch einmal, der Einsatz im Schlossgarten sei „rechtmäßig und – mit Ausnahme der Wasserstöße in Kopfhöhe – auch verhältnismäßig“ gewesen. Die Betroffenen haben bislang weder Schmerzensgeld noch Schadenersatz erhalten.

LENA MÜSSIGMANN