Singen ist Trend, Chor ist Trumpf

SCHUBADUBALOO Beim Berlin Pop Choir ist jede Stimme willkommen. Die Idee des simplen gemeinsamen Singens hat Chorleiterin Lyndsey Cockwell aus England mitgebracht

Man steigt ein in den Chor und wieder aus, je nachdem, wie man Zeit hat

VON ANDREAS HARTMANN

Singen ist gerade ein Trend. Viele träumen davon, mit Hilfe ihrer Stimme Superstars in Castingshows zu werden. Oder wenigstens einmal bei der Karaoke-Veranstaltung am Sonntag im Mauerpark die Massen zu unterhalten.

Man muss keine große Stimme haben, um mit ihr Spaß zu haben. Das kriegt man schnell mit, wenn man einmal in die Gesangsboxen in Monster Ronson’s Ichiban Karaoke in Friedrichshain hineinhört, wo sich jeden Abend kleine Gruppen treffen, um gemeinsam etwas von Madonna oder Lady Gaga mit Hilfe von sehr viel Alkohol zu trällern.

Hier, im Monster Ronson’s, trifft sich immer dienstags auch der sogenannte Berlin Pop Choir zur Probe, dessen Grundidee wohl tatsächlich eher etwas mit Karaoke denn mit einem herkömmlichen Chor zu tun hat. Kein Vorsingen ist nötig, jeder darf mitmachen, damit wirbt Chorleiterin Lyndsey Cockwell für ihr Projekt. Gemeinsam Spaß beim Singen haben, darum geht es bei dieser Sache.

Der Pop Choir unterscheidet sich fundamental von allem, was es sonst so gibt in der recht großen Berliner Chorlandschaft. Allein schon das Repertoire: Kompositionen von Joy Division oder den Buzzcocks und nicht von Bach oder Händel, „Gimme! Gimme! Gimme!“ von Abba, statt „Misa Criolla“. Cockwell arrangiert Popsongs um für ihren Chor, und das gelingt ihr recht gut. Instrumentalpassagen, in den Originalen meist von Gitarre, Bass, Schlagzeug intoniert, lässt sie von ihrem Chor mit vielen „Na-na-nas“ nachstellen, dann singt der Chor die Bridge und dann auch schon wieder die Melodie: „Everyday is like sunday, everyday is silent and grey“ von Morrissey etwa.

Mit dem Londonder Label Domino, das mit Bands wie Franz Ferdinand oder den Junior Boys bekannt wurde, gibt es inzwischen sogar eine Kooperation. Cockwell arrangiert Stücke von Domino-Acts wie Anna Calvi, den Wild Beasts oder Animal Collective für ihren Berliner Chor um, und das Label präsentiert die Versionen des Hobbychors in einem Podcast.

Auch die Proben gestalten sich anders als bei anderen Chören. Man kauft sich eine Zehnerkarte, die man sich bei jeder Probe abstempeln lässt. Man steigt ein in den Chor und wieder aus, je nachdem, wie man Zeit hat. Und doch werden sozusagen einzelne Kurse angeboten. In diesen Kursen wird ein Repertoire erarbeitet, das am Ende des Kurses vor Freunden und Familie aufgeführt wird, und Cockwell bringt denjenigen, die vorher noch nie etwas mit ihrer Stimme gemacht haben, wenigstens das Nötigste über Atemtechnik und das Aufwärmen der eigenen Stimme bei. Der Chor verändert sich so personell ständig, allerdings gibt es auch einige Dauermitglieder, die ohne ihren Pop Choir gar nicht mehr sein möchten.

Skadi Lochner etwa ist schon lange dabei und extrem begeistert. „Du lernst deine Stimme kennen, das macht Spaß“, sagt sie und spricht von der „Energie, die entsteht, wenn du mit Leuten zusammen etwas machst.“ Auch schätzt sie die wöchentliche Möglichkeit, mit anderen Leuten englisch zu reden. Der Chor ist nämlich ziemlich international und Chorleiterin Cockwell selbst kommt aus London, weswegen die Chorsprache Englisch ist. Für Neuberliner aus Spanien oder Argentinien ist so ein Chor einfach auch eine gute Möglichkeit, Leute in Berlin kennenzulernen.

Cockwell selbst ist eigentlich Singer-Songwriterin. Sie unterhält neben ihrem Chor verschiedene musikalische Projekte und ist Mitglied der Berliner Band Dominique. Die Idee mit dem Pop Choir hat sie aus England mitgebracht, wo das simple, gemeinsame Singen jenseits von Kinder-, Schul- oder Kirchenchor längst eine Riesensache sei. Dort ginge das „unheimlich ab“, sagt sie. Cockwell selbst ist der größte Fan ihres Chors. Nach dem Abschlussauftritt ihres letzten Kurses ist sie sichtlich ganz begeistert von ihrem Chor. „Diese Gruppe war ganz besonders“, sagt sie. Wahrscheinlich sagt sie das nach jedem Abschlusskonzert. Aber so, wie sie es sagt, glaubt man es ihr einfach.

■ Pop Choir Berlin. Immer dienstags im Monster Ronson’s Ichiban Karaoke. www.berlinpopchoir.de