„Die Verfahren gibt es“

UMWELT Christian Jooß erklärt im Lagerhaus, wie eine vollständige Kreislaufwirtschaft möglich wäre

■ 44, Physik-Professor an der Georg August-Universität, forscht zu Energiematerialien und engagiert sich in der Bürgerbewegung für Kryo-Recycling.

Herr Jooß, Sie engagieren sich für Kreislaufwirtschaft. Was genau ist damit gemeint?

Eine Wirtschaftsweise die sich die Natur zum Vorbild nimmt. Sie geht davon aus, dass die Ressourcen begrenzt sind und möglichst effizient genutzt werden sollen. Das geschieht vor allem dadurch, dass Abfall nicht als solcher betrachtet, sondern recycled und so erneut zur Produktion von Gütern verwendet wird.

Ist denn schon heute möglich, abfallfrei zu wirtschaften?

In manchen Bereichen – etwa Papier- und Metallindustrie – ist es schon etabliert. Bei Kunststoffen zum Beispiel gibt es erprobte Kälteverfahren zum Recycling, die leider nicht breit eingesetzt werden. Andere Bereiche bedürften weiterer Forschung.

Zum Beispiel?

Mikroelektronik. Sie enthält Platinen, die nicht ohne weiteres recycled werden können. Sie werden in Dritte-Welt-Länder verschifft, wo sie unter widrigsten Umständen auseinander genommen werden.

Wenn Kreislaufwirtschaft möglich ist, warum wird sie nicht immer praktiziert?

In Deutschland gibt etwa 90 Müllverbrennungsanlagen. Sie sind umso rentabler, je stärker sie ausgelastet sind.

Aber es gibt doch sogar eine Recyclingpflicht.

Dem Kreislaufwirtschaftsgesetz stehe ich kritisch gegenüber.

Warum?

Zum Beispiel, weil es die Müllverbrennung als energetische Verwertung betrachtet. Doch beim Verbrennungsprozess entsteht vor allem Wärme, die in Müllverbrennungsanlagen nicht effizient genutzt werden kann. Außerdem gelangen dadurch – trotz moderner Filter – giftige Stoffe in die Atmosphäre und wertvolle Rohstoffe werden vernichtet.

In Ihrem heutigen Vortrag soll es auch um 100 Prozent erneuerbare Energien gehen. Ist das zu schaffen?

Ja. Es gibt die heute etablierten Verfahren zur nachhaltigen Energiegewinnung und auch neue, die noch weiter erprobt werden müssen. Ich bin der Meinung, dass in zehn bis 15 Jahren die Umstellung auf erneuerbare Energien möglich wäre.

Und politisch durchsetzbar?

Das ist die große Frage.Interview: Julia Rotenberger

Vortrag und Diskussion zum Thema „Kreislaufwirtschaft und 100 Prozent erneuerbare Energien - die Antwort auf die drohende Umweltkatastrophe“ Kreislaufwirtschaft total, Lagerhaus, Schildstraße 12, 19 Uhr