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HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGERKevin! Weißt du!

Ich bin nicht allein eingestiegen, selbst wenn das Licht draußen, wo die Gleise unbedeckt sind schwindet, von Leuchtreklamen in der Halle ersetzt wird; selbst wenn Bahnhofsvorsteher kapitulieren vor Zügen, die verspätet ankommen, vorzeitig abfahren, halten, ruckartig in verschiedene Richtungen abhauen – da bleibt doch jeder bei Sinn und Verstand lieber zu Hause.

Im Abteil; verspiegelt blau blickt es sich raus auf die Häuser, gleich werden die Felder kommen, und dann – jäh. „So red ich erst recht nicht weiter mit dir. Kevin! Weißt du! Seit zwei Stunden machst du uns hier das Leben zur Hölle. Und nein, so wie du gerad drauf bist, vertrau ich dir unsere Fahrkarte nicht an. Wer weiß, was du dem Kontrolleur sagen würdest. Ja, dann bin ich eben für dich gestorben.“

Zwei schmächtige Frauen sitzen eine Handvoll blauer Bänke weiter vorn. Zwischen den Sitzen turnt ein Junge, er ist einen Kopf höher als die Sitze, und Kevin ist sein Vater. Die Frauen unterhalten sich abwechselnd mit Kevin. „Ja, wir sind alle gestresst. Allesamt sind wir hier gestresst. Evy ist völlig fertig. Und sogar Gian Marco kriegt alles mit!“ So heißt also der Sohn von Kevin.

Kevin sitzt ein Abteil weiter, eine Handyflatrate muss diesen Telefonstreit möglich gemacht haben. Als Voyeuristin versinke ich tief in meine Sitzpolster, draußen die Bahnhofsbeleuchtung der Station, von der die Protagonisten – ein mürrischer Mann, zwei müde wirkende Frauen mit schönen Wangenknochen, ein kleiner Junge – geschwind die Treppe hinunter nach Hause laufen.

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