Wenn das Gehirn erschüttert ist

TRAUMA Fürs Publikum riskieren Hockeyspieler in den USA ihre Köpfe

■ Der Wunsch: taz-Leser Matthias Braese hat uns gebeten, dieser Frage nachzugehen: Warum wird Boxen nicht verboten oder strafrechtlich verfolgt? Es handelt sich doch um vorsätzliche gefährliche Körperverletzung.

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Sobald Eishockeyspieler ihre Handschuhe wegwerfen, wird’s für die Fans erst wirklich spannend. In den USA sind sogenannte Enforcer („Vollstrecker“) Teil des Teams. Sie beschützen den Topstürmer. Durch Bodychecks oder provozierte Schlägereien sollen sie außerdem den Spielfluss der Gegner stören. Kommt es zu solchen Auseinandersetzungen, schmeißen sie ihre Ausrüstung von sich und dreschen drauflos. Das Verletzungsrisiko ist enorm.

Experten vermuten bis zu vier Millionen Gehirnerschütterungen im Sport pro Jahr – allein in den USA. „Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen wiederholten Gehirnerschütterungen bei Sportlern und der sogenannten chronisch traumatischen Enzephalopathie, kurz CTE, herstellen“, sagt Patrick Luig vom sportmedizinischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Diese äußere sich vor allem durch Depressionen, kann aber auch das Demenzrisiko erhöhen. Die Diagnose ist schwierig und nur durch Untersuchung von Gehirngewebe unter dem Mikroskop möglich.

Zwei traurige Fälle werden derzeit mit CTE in Verbindung gebracht. Der kanadische Eishockeyspieler Rick Rypien litt an Depressionen und wurde vor zwei Wochen tot in seiner Wohnung aufgefunden. Drei Monate zuvor war der Enforcer der New York Rangers, Derek Boogaard, an einer Überdosis Schmerzmittel in Verbindung mit Alkohol gestorben. Beides könnte auf das für CTE typische emotional instabile Wesen zurückzuführen sein. Der wissenschaftliche Nachweis blieb bisher jedoch aus.

„Es ist schwierig, das Ausmaß einer Gehirnerschütterung präzise einzuschätzen“, sagt Dr. Jens Ziesche, Teamarzt der Berliner Eisbären. Symptome können extrem variieren. Insgesamt gibt es in Deutschland dank strengerer Regeln weniger Verletzte. Sind beim amerikanischen Eishockey Faustkämpfe zur Belustigung des Publikums eingeplant, werden hierzulande prügelnde Spieler vom Match ausgeschlossen. JAN PEDD