Bier in der Bahn?

VERBOTEN Die Stadt Hamburg will Alkoholkonsum im Nahverkehr bestrafen. Eine Schnapsidee, meinen viele – und organisieren ein U-Bahn-Abschiedstrinken

Die sonntazfrage wird vorab online gestellt.

Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz.

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JA

Stefan Petschak, 40, ist Vorstandsmitglied der Fanabteilung von Borussia Dortmund

Ein Alkoholverbot im Nahverkehr kann ich absolut nicht nachvollziehen. Fußballfans, die auf der Zugfahrt gepflegt ein Bierchen trinken, würden wegen einer aggressiven Minderheit kollektiv bestraft. Dem mündigen Bürger sollte grundsätzlich selbst überlassen werden, welche Getränke er im Nahverkehr zu sich nimmt. Ein Verbot wäre eine unverhältnismäßige Kollektivstrafe. Alle zwei Wochen gehen in Dortmund 80.000 Menschen ins Dortmunder Stadion. Viele reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Die ganz große Mehrheit derer, die Bier trinkt, ist friedlich und freut sich auf ein schönes Fußballspiel. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es vereinzelt Chaoten gibt, die sich nicht benehmen können – ob mit oder ohne Alkohol. Sanktionen im Nahverkehr können solche Probleme nicht lösen.

Hans-Georg Eils, 53, aus Homburg (Saar) ist Präsident des Deutschen Brauer-Bunds

Wir deutschen Brauer sind gegen Alkoholexzesse und mögliche Folgen für die Gemeinschaft. Wir wissen, dass die meisten Leute vernünftig mit alkoholhaltigen Getränken umzugehen wissen. Das Problem liegt bei einer Minderheit, die in stark alkoholisiertem Zustand den Nahverkehr benutzt, dabei auffällig wird und Mitreisende belästigt. Nicht der Konsum alkoholhaltiger Getränke als solcher ist zu beanstanden, sondern Ordnungswidrigkeiten und strafrechtlich relevante Verhaltensweisen, auch im Zusammenhang mit einer starken Alkoholisierung. Von daher wird das Konsumverbot im Hamburger Nahverkehr (HVV) nicht dazu führen, dass alkoholbedingte Belästigungen unterbleiben. Verschiedene Beispiele aus anderen Städten zeigen uns, dass die Einführung von Alkoholverboten nicht die gewünschten Ergebnisse bringt. So bestehen bereits in verschiedenen Regionen Deutschlands solche Restriktionen, etwa in München, Stuttgart und in weiten Teilen des Rhein-Ruhr-Gebiets. Diese konnten jedoch auch nicht dazu beitragen, dass infolgedessen Belästigungen und Vandalismus ausbleiben. Abhilfe kann nur geschafft werden, indem übermäßig alkoholisierte Reisende durch verstärkte Kontrollen in ihre Schranken verwiesen oder sogar am Fahrtantritt gehindert werden.

Alexandra Wiederweg, 40, ist Sozialpädagogin und hat die Sonntazfrage auf taz.de kommentiert

Leute dürfen stinken, spucken, ihr Kind anschreien, ihre Gesinnung ungefragt kundtun, im Weg rumstehen. Sie dürfen andere Fahrgäste sexuell belästigen und rassistische Sprüche klopfen. All das hat man zu ertragen. Aber wenn ein paar Clubhopper in der S-Bahn ihr Becks aufmachen, wird sofort Security angestellt und ein Verbot durchgesetzt. Bloß weil sich ein paar Interviewte, die selbst noch nicht einmal S-Bahn fahren, davon belästigt fühlen würden. Ich kapier‘s nicht. In Berlin wäre so ein Verbot auf keinen Fall durchsetzbar. Man kann halt nicht Millionen von EasyJet-Touristen in eine Stadt locken und ihnen dann dort das billige Trinken verbieten.

NEIN

Mechthild Dyckmans, 60, ist FDP-Abgeordnete und Drogenbeauftragte des Bundes

Ich unterstütze die Entscheidungen der Verkehrsbetriebe, wie jetzt in Hamburg, Alkoholkonsum in ihren Bussen und Bahnen zu untersagen. Übermäßiger Alkoholkonsum geht oft mit Gewalt und Vandalismus einher. Das mussten Verkehrsbetriebe immer wieder erfahren. Alkoholkonsumverbote in Bussen und Bahnen zeigen positive Wirkung und werden auch von den Fahrgästen begrüßt. Die Münchner Verkehrsgesellschaft und die metronom Eisenbahngesellschaft haben gute Erfahrungen damit gemacht. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung geht es mir aber nicht nur um die Vermeidung von Lärm, Gewalt und Vandalismus. Ich verspreche mir von Alkoholkonsumverboten im öffentlichen Personennahverkehr auch ein geändertes Konsumverhalten in der Weise, dass nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort Alkohol konsumiert wird. Der Verzicht auf Alkohol in der Öffentlichkeit hat außerdem eine Vorbildwirkung für Kinder und Jugendliche. Je weniger Alkohol vor den Augen von Kindern und Jugendlichen getrunken wird, desto weniger wird es auch für sie zur Selbstverständlichkeit, zur Flasche zu greifen.

Lutz Aigner, 54, ist Geschäftsführer des Hamburger Verkehrsverbunds und U-Bahn-Fahrer

In einer Umfrage stimmten 86 Prozent unserer Fahrgäste für ein Alkoholkonsumverbot in Bus und Bahn; diesen Wunsch dürfen wir nicht ignorieren. Die Befürworter des Verbots hatten ihre Gründe: Sie fühlen sich belästigt durch Pöbeleien und aggressives Verhalten, Enthemmung und Kontrollverlust der trinkenden Mitreisenden. Außerdem stören sie sich an Verschmutzung und schlechtem Geruch. Die Umfrage ergab auch, dass sie Angst verspüren und Sicherheitsbedenken haben. Leider hat der Alkoholkonsum in Hamburger Bussen und Bahnen in den vergangenen Jahren so zugenommen – vor allem im Wochenendverkehr sowie abends und nachts –, dass viele Fahrgäste sich unwohl fühlen. Offensichtlich hat das die traditionell eher toleranten Hamburgerinnen und Hamburger veranlasst, sich mit so überwältigender Mehrheit für ein Alkoholkonsumverbot im HVV auszusprechen. Wir setzen das Verbot zum 1. September um und sind überzeugt, dass es sich ebenso durchsetzen wird wie vor einigen Jahren das Rauchverbot.

Petra Krause, 60,ist Stellvertretende Bundesvorsitzende der Abstinenzgemeinschaft Guttempler

Alkohol mit all seinen oft unangenehmen Nebenerscheinungen hat im Nahverkehr genauso wenig zu suchen wie im Straßenverkehr. Alkoholtrinkende werden schnell zu einer Belästigung für die anderen Fahrgäste. In unserer Gesellschaft ist Alkohol die Droge Nummer eins, das wird oft übersehen. Dass Alkohol an vielen Orten und zu fast jeder Tageszeit erhältlich ist, fördert den öffentlichen Konsum noch. Der lässige Umgang mit Alkohol schafft für viele Menschen große Probleme körperlicher, seelischer, finanzieller und sozialer Art. Das gilt für Junge und Alte gleichermaßen. Ein Alkoholverbot im Nahverkehr kann dazu beitragen, dass der eine oder andere über sein eigenes Verhältnis zum Alkohol nachdenkt.