„Ohne Musik eine Null“

AUSGEGRENZT Die Lebensgeschichte des Sinto Kako Weiss wird erfahrbar in einer Lesung mit Musik

■ 33, wohnt in Wilhelmsburg, ist Sinto und Mitglied der Hamburger Linie der berühmten Musikerfamilie Weiss

Herr Weiss, wie begehen Sie als Sinto das Weihnachtsfest?

Kako Weiss: Eigentlich ganz normal. Wie andere deutsche Familien auch mit Weihnachtsbaum und allem drum und dran. Für mich ist es das Fest der Liebe, die Erinnerung an die Geburt Jesus, nur ist mir das ganze viel zu überschenkt. Wir sind Christen und meine Familie hat seit 600 Jahren Wurzeln in Deutschland. Wir waren immer ein vertriebenes Volk, das Unterschlupf suchen musste.

Diese Geschichte ist der Hintergrund der musikalischen Lesung „Spiel Zigeunistan“, auf der Sie mitwirken. Was erwartet den Zuschauer?

Die Zuschauer erwartet ein Einblick in mein Leben als Sinto, als „Zigeuner“, als Angehöriger einer großen Minderheit. Es geht vorrangig um meine Jugend. Die Autorin Christiane Richers hat mein Leben aufgeschrieben und daraus ist diese Lesung entstanden, in der sie liest und ich als Musiker am Alt-Saxophon mitwirke. Es ist ein Wechselspiel zwischen Text und Musik.

Was bedeutet Ihnen dieses Stück?

Sehr viel. Ich bekomme enorme Resonanz von Zuschauern, die anderen ethnischen Minderheiten angehören und das Gefühl haben, wir würden auch über sie sprechen. Solche Reaktionen berühren mich sehr und machen mir Mut.

Sie leben in einer größeren Sinti-Gemeinde in Wilhelmsburg. Ist Hamburg Ihre Heimat?

Ich bin ein Hamburger durch und durch.

Auch akzeptiert und integriert in Ihrer Heimatstadt?

Da ich als Musiker arbeite, bin ich beliebt und akzeptiert. Wäre ich kein Musiker, wäre ich eine Null. Es ist für uns als Sinti fast unmöglich, einen normalen Job zu bekommen.

Woran liegt das?

Es fängt schon in der Schule an. Wie oft habe ich es zu hören bekommen, dass Freunde mich nicht einladen durften, weil ihre Eltern es nicht wollten. Die wenigsten von uns haben einen Schulabschluss. Ich selber habe die Schule nach der siebten Klasse abgebrochen, konnte später aber aufgrund meines Talents auf einem Konservatorium Musik studieren. Den Weg ins normale Berufsleben kannst du als Sinto noch immer knicken – das ist nicht drin.

Und davon handelt auch die szenische Lesung?

Ein Teil davon. Aber es geht auch viel um die Geschichte meiner Familie. Lassen Sie sich überraschen.  INTERVIEW: MAC

Spiel Zigeunistan. Musikalische Lesung: 20.30 Uhr, Thalia in der Gaußstraße