„Verteilen statt schließen“

GESUNDHEIT Experten diskutieren die Folgen des „Versorgungsstrukturgesetzes“ gegen Ärztemangel

■ 52, ist Juristin und leitet die Unabhängige Patientenberatung in Bremen.

taz: Laut dem Verband gesetzlicher Krankenkassen gibt es in Bremen 150 Facharztpraxen zu viel. Müssen sie künftig verschwinden?

Annette Drewes-Kirchhoff: Sie spielen auf das Anfang 2012 in Kraft tretende Versorgungsstrukturgesetz an?

Ja.

Ich bezweifle, dass die Zahlen des Gutachtens die Versorgungslage in Bremen ausreichend beschreiben.

Warum nicht?

Praxen sind ungleich über die Stadtteile verteilt. Dem trägt das Gutachten nicht unbedingt Rechnung.

Wer ist denn besonders ungleich verteilt?

Psychotherapeuten zum Beispiel. In Schwachhausen gibt es viel mehr von ihnen als in Gröpelingen. Von anderen Spezialisten dagegen gibt es in der gesamten Stadt nur wenige – Gastroenterologen etwa.

Und, schließen nun Praxen?

Das ist offen. Doch statt zu schließen könnte man die Praxen eben auch anders verteilen.

Ändert sich denn etwas für die Patienten?

Die Versorgung durch Spezialärzte wird neu geregelt. Die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung soll stärker als bisher aufgeweicht werden.

Was heißt das?

Das bedeutet, dass Krankenäuser Aufgaben übernehmen können, die früher von spezialisierten Arztpraxen betreut wurden. Ein Beispiel dafür ist die ambulante Versorgung von Krebspatienten. Das führt zu Spannungen zwischen Krankenhäusern und den Praxen.

Und für die Patienten?

Ist es sicherlich weniger interessant. Für sie ist es wichtiger, wie sie zu den Spezialisten kommen. Das ist im Gesetz bislang nicht nicht ausreichend geregelt.

Interview: Julia Rotenberger

NORDWESTRADIO, 15.05 Uhr