Nur die Sonntagsreden sind wirklich völlig transparent

NACHFOLGE Über die Neubesetzung des Direktoriums an der DFFB herrscht Unmut. Studenten fordern mehr Mitbestimmung und möchten eine Leiterin

Björn Böhning hat versprochen, dass eine Entscheidung nur im Konsens mit Vertretern aus Studierenden- und Dozentenschaft getroffen wird

„Kein neuer Direktor ohne studentische Zustimmung“ ist nicht der griffigste Slogan für ein Plakat, das schließlich per Foto in der Bild-Zeitung landete, aber der PR-Stunt war eindrucksvoll: Vor einer Woche drängten Studierende der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) auf den roten Teppich der Til-Schweiger-Film-Premiere am Potsdamer Platz. Ihr Unmut richtet sich gegen das Verfahren, in dem die neue Direktion der Filmhochschule bestimmt werden soll. Es ist nämlich völlig intransparent.

Zwar hat Björn Böhning (SPD), der als Chef der Senatskanzlei das Land Berlin vertritt, den studentischen Vertretern versprochen, dass eine Entscheidung über die Nachfolge des ungeliebten Jan Schütte durch das Kuratorium (in dem keine einzige Filmemacherin, sondern die hiesige Produktionsbürokratie sitzt) nur im Konsens mit Vertretern eben der Studierenden- und Dozentenschaft geschieht. An dieses Wort erinnern die Protestierenden den Politiker mit Mahnwachen vor dem Roten Rathaus – zu weiteren kommunikativen Handlungen ist es darüber aber nicht gekommen.

Und so steht die Befürchtung, dass eine Entscheidung, die bei der Kuratoriumssitzung am 5. Dezember vertagt wurde, längst getroffen ist. Wunschkandidatin der Protestierenden ist die französische Kamerafrau Sophie Maintigneux, die etwa mit Godard gedreht hat und die Schule kennt. Zudem wäre damit erstmals in der bald 60-jährigen Geschichte der DFFB eine Direktorin gewählt – auch 2015 ein repräsentationspolitischer Coup. Wahrscheinlicher scheint aber, dass der österreichische Filmemacher Julian Pölsler den Posten bekommt – ein Name von solch außergewöhnlichem Rang, dass selbst wandelnde Filmlexika wie Ulrich Gregor nichts mit ihm anfangen können.

Bis Weihnachten gebe es keine Neuigkeiten, lautet das zweite Böhning’sche Versprechen, was eben auch bedeuten könnte, dass nach den Feiertagen in das Standby des öffentliche Lebens hinein die Berufung Pölslers vermeldet würde. Mit der Öffentlichkeit hat es der in Berlin für Medienpolitik (sic!) zuständige Böhning nicht so. Einer Diskussion mit den Studierenden in der Akademie der Künste am Freitag blieb er fern. Dem Tagesspiegel erklärte er: „Ob es für die DFFB hilfreich ist, interne Auseinandersetzungen an die Öffentlichkeit zu tragen, möchte ich bezweifeln.“ Eine, vorsichtig gesagt, putzige Ansicht für einen Menschen, der Dienst tut in einer politischen Form, die sich aus dem lateinischen Begriff für „öffentliche Sache“ (res publica) ableitet. Dass Böhning die Entscheidungswege durch die Hinterzimmer kennt, hat er zuletzt bei der Auseinandersetzung um das Freien-Statut beim RBB bewiesen. Da wurde, freilich flankiert von lauter Unterstützungsbekundungen für die Interessen der Freien, ein Verfahren designt, das den Interessen von Intendantin Dagmar Reim genügte. Weshalb nur naive Charaktere sich fragen konnten, wie bei einem solchen Prozess am Ende das Gegenteil von dem rauskam, was die steuernde Politik am Anfang zu wollen vorgab. Ganz abgesehen davon, dass die SPD damit gegen die Partizipation von Leuten arbeitete, aus deren Repräsentation sie einmal ihren Sinn und Stolz abgeleitet hat.

Für DFFB-Studenten ist Böhnings Kommunikationspolitik frustrierend. Dabei hatte die Demission Schüttes – als dessen größte Leistung in vier Jahren Amtszeit die Entscheidung, das hauseigene Vorführkino goldfarben streichen zu lassen, in die Geschichte eingehen wird – zu Erleichterung geführt. Das klingt in Erzählungen tatsächlich so durchatmend wie Stefan Heym am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz („Es ist, als habe einer das Fenster aufgestoßen“). „Kunst darf und soll Zumutung sein“, hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Berlinale-Eröffnung im Februar gesagt. Klingt schick, gilt meistens aber nur für die Sonntagsreden, in denen Politik von ihren Möglichkeiten träumt. MATTHIAS DELL