Agrar-Initiativen (5)
: Marsch durch die Gremien

Norddeutschland ist das Lieblingsspielfeld der Agrarindustrie. Immer mehr und immer größere Stallanlagen werden geplant – und gebaut. Aber die BürgerInnen lassen sich das nicht mehr gefallen: Die taz nord stellt Bündnisse, Initiativen und Vereine vor, die sich wehren. Heute: Kampf gegen Mastställe in Flotwedel

„Ich esse gerne Fleisch“, „Ich will weiter günstig bei Penny Hähnchenbrust kaufen“, oder schlicht „Lass’ mich in Ruhe“: Solche Antworten bekommt Ina Reichinger zu hören, spricht sie über das Thema, das sie bewegt: Hähnchenmastställe. Sieben davon für insgesamt rund 300.000 Tiere sind geplant in der Samtgemeinde Flotwedel, Landkreis Celle.

Seit Anfang des Jahres versucht hier die „Bürgerinitiative Flotwedel für einen respektvollen Umgang mit Nutztieren“ den Bau zu verhindern – durch Einwendungen beim Genehmigungsverfahren, durch Veranstaltungen mit bis zu 200 Besuchern, durch Rundbriefe oder eben das direkte Gespräch. „Viele Alteingesessene wollen es sich nicht mit den Landwirten verderben, die sie oft von klein auf kennen, sagt Friedhelm Torney, wie Reichinger Pädagoge und eines von 130 BI-Mitgliedern. „Wir hören immer wieder: ‚Ihr habt ja recht, aber da kann man nichts machen.‘“

Nach einem halben Jahr Arbeit in der Initiative und nach zahllosen Gesprächen, in denen es immer wieder um die Auswirkungen der Mastställe für die Gegend geht, ist der Unternehmensberater Dieter Vandreike ernüchtert: „Der Landkreis entscheidet über die Genehmigung, aber letztlich kann nur über die Veränderung von Bundesgesetzen der Bau solcher Anlagen verhindert werden.“ Dennoch setzt sich die BI dafür ein, dass die politischen Gremien vor Ort den Bau der Ställe ablehnen. Bislang stoßen solche Forderungen bei der örtlich dominierenden CDU auf taube Ohren. Einige BI-Mitglieder haben daraus die Konsequenzen gezogen: Sie kandidieren bei der Kommunalwahl am 11. September.

„Wir haben uns dafür entschieden, unseren Mitgliedern zu empfehlen, sich auf Listen der bestehenden Parteien und Gruppierungen zur Wahl zu stellen“, sagt Thorsten Müller. Dahinter steht der Wunsch, möglichst viele Partner zu gewinnen. Müller spricht von einer allgemeinen Politisierung, die bei den Maststall-Gegnern auch das Interesse an anderen Themen vergrößert habe.

Die Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft immer wieder zum Thema zu machen, dazu gehört auch eine Resolution gegen die Mastställe, die demnächst in den Samtgemeinderat eingebracht werden soll. „Wir wollen die Köpfe der Menschen erreichen“, sagt Vandreike. Keine einfache Aufgabe: Die örtliche Tageszeitung berichtet kaum über die BI.

Um Alternativen zur Massentierhaltung aufzuzeigen, wirbt die Initiative für ökologisch einwandfreie landwirtschaftliche Betriebe. Das freut Ronald Suderburg. Sein „Naturgut“ ist der einzige Hof in der Umgebung, der Obst, Gemüse und Fleisch nach Bioland-Standard erzeugt. Suderburg hält in sieben Ställen insgesamt 600 Hühner – zum Vergleich: In jedem einzelnen der geplanten Mastställe sollen 41.000 Tiere leben. „Ich kenne einen der Großmäster persönlich“, sagt Suderburg. „Für den bin ich natürlich keine Konkurrenz.“

Mit den künftigen Betreibern der Mastställe, allesamt Bauern aus der Region, will die BI im Gespräch bleiben. Sie seien keine Gegner, sondern Landwirte, die sich wirtschaftliche Illusionen machten. „In spätestens fünf Jahren wird keiner mehr finanziell in der Lage sein, seinen Maststall zu betreiben“, sagt Reichinger. „Dann steigen große Investoren ein.“

Das Gespräch sucht die BI auch am 10. September, wenn sie vor einer Sporthalle in Celle ihren Infostand aufbaut. Drinnen trägt dann das Damenteam des Handball-Bundesligaaufsteigers SVG Celle sein erstes Heimspiel aus. Seit dieser Saison hat die SVG einen neuen Trikotsponsor: die Firma Rothkötter, die ab Herbst im nahen Wietze jährlich bis zu 134 Millionen Tiere schlachten will. Weshalb sich in der Region überhaupt so viele Mastbetriebe ansiedeln. „Ich bin schon gespannt“, sagt Torney, „wie die Fans auf uns reagieren.“ JOACHIM GÖRES