Drohen statt Klagen

Seit einem Jahr gilt in Bremen und Niedersachsen das Antidiskriminierungsgesetz. Doch vor Gericht kamen viel weniger Fälle als vermutet, ergibt eine Umfrage bei den zuständigen Arbeitsgerichten. Das Gesetz sei sehr kompliziert

Das seit einem Jahr geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat in Niedersachsen und Bremen nicht zu der von Juristen erwarteten Klagewelle geführt. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Arbeitsgerichten. „Das Gesetz ist zwar in aller Munde, wird aber meist nur als Drohpotenzial genutzt“, sagte der Direktor des Arbeitsgerichts Hannover, Kilian Wucherpfennig. Das Gleichbehandlungsgesetz – auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – soll ungerechtfertigte Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern.

Durchschnittlich hätten die rund 70 zuständigen Kammern in Niedersachsen nicht mehr als drei Fälle seit August 2006 verhandelt, sagte der Vizepräsident des niedersächsischen Landesarbeitsgerichts in Hannover, Heinrich Kiel. Zumeist sei es um Alters- und Geschlechtsdiskriminierung bei Kündigungen und Abfindungszahlungen gegangen. Beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven gab es in den vergangenen zwölf Monaten lediglich ein Verfahren, in Göttingen und Wilhelmshaven hatten die Richter keinen einzigen Fall auf dem Tisch. „Das öffentliche Interesse ist erheblich größer als die Streitlust“, sagte der Direktor des Arbeitsgerichtes Wilhelmshaven, Frank Tenne.

Am Arbeitsgericht Oldenburg beriefen sich zwei Kläger auf das Gesetz, nachdem ihnen eine tarifliche Zuwendung nicht zustehen sollte, weil sie keine Gewerkschaftsmitglieder waren. „Die Kläger sahen ihre Nichtmitgliedschaft als eine Frage der Weltanschauung an“, sagt Charlotte Groschupf, Richterin am Arbeitsgericht Oldenburg. Die Klagen wurden abgewiesen.

Die Richter seien „nicht unglücklich über die geringen Fallzahlen, da das Gesetz in der praktischen Anwendung sehr kompliziert ist“, sagte der Hannoversche Arbeitsgerichts-Direktor Wucherpfennig. Vor allem der Zusammenhang zwischen Alter und Kündigungsschutz sei vom deutschen Gesetzgeber unzureichend geklärt worden, sagte Christiane Brors, Arbeitsrichterin in Osnabrück und Professorin an der Universität Münster.

Die Vorgabe des europäischen Gesetzgebers sei gewesen, die Benachteiligung aufgrund des Alters auch bei Kündigungen zu verbieten. Das deutsche Gesetz verweise aber lediglich auf das Kündigungsschutzgesetz, sagt Brors. Sie erwarte darum Klagen bis hin zum Europäischen Gerichtshof. dpa