DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Schenkt euch mehr

WAS SAGT UNS DAS? An Weihnachten wird Wasser gepredigt und Wein getrunken: Warum das ständige Gerede vom Nichtschenken totaler Quatsch ist

Es ist Weihnachten, Zeit der totalen Bescherung. Doch während eine Heerschar Schenkwütiger alles leer kauft, wird das Gerede vom Nichtschenken lauter. Vier von fünf Deutschen haben keine Lust auf „weihnachtlichen Konsumterror“. Dabei werden moralisch schwere Geschütze aufgefahren: Nachhaltigkeit, Kampf gegen Verschwendung, Besinnlichkeit.

Weil Schenken aber auch eine Form sozialer Kommunikation ist, ein Ausdruck von Wertschätzung, können wir nicht damit aufhören. Es sei denn, wir verabreden uns dazu. Durch solch einen Anti-Schenk-Pakt ließen sich nicht nur Nerven sparen, sondern auch Zeit und Geld.

Sollen wir also besser auf das Schenken verzichten, der (Um-)Welt und uns selbst zuliebe? Pure Heuchelei. Am Ende werden wir alle schenken – und uns über so manches Präsent freuen. Und trotzdem reden immer mehr vom Konsumverzicht, als ob der einmalige Verzicht auf den in der restlichen Jahreszeit exzessiv betriebenen Konsum irgendetwas ändern würde. So ein Quatsch! Besser, wir stehen dazu, dass wir gerne schenken und noch lieber beschenkt werden.

Schließlich ist Nichtschenken auch keine Lösung – das wusste selbst Adorno. „Die Menschen verlernen das Schenken“, diagnostizierte er. Das zeige sich besonders „in der peinlichen Erfindung der Geschenkartikel“. Demgegenüber ist „das Versöhnende am organischen Leben selber“ ein Schenken.

Doch wie schenkt man richtig? Manchmal ist weniger mehr. Zwar konstatiert Adorno, wer das Schenken verlernt, „macht sich zum Ding und erfriert“ – es ist aber nicht vom „Schenken von Dingen“ die Rede. Selbst basteln oder immaterielle Geschenke sind nicht verboten. Ebenso wie sich Gedanken zu machen, was man schenkt. Denn: „Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten.“ TIMO REUTER