Das Blasorchester
: Frohnau ekstatisch

Danach bliesen wir alle aus dem letzten Loch

Ich muss meine Meinung über den Stadtteil Frohnau revidieren. War ich bisher überzeugt, dass sich dort Fuchs und Hase gute Nacht sagen, weiß ich jetzt, dass dort die Post abgehen kann. Es fing als ganz normaler Grillabend an einem lauen Sommerabend an. Gastgeberin war eine ehemalige Kommilitonin, die mit Mann, Tochter und zwei Schildkröten am Stadtrand wohnt.

Als das Lammfleisch und die anderen Köstlichkeiten verspeist waren, begann jemand aus der Runde, auf einer Flasche zu blasen. Darauf sprang der Freund der Tochter der Gastgeberin sofort an. Mit seinen 17 Jahren beherrscht er Geige, Klavier und Orgel so gut, dass er bei evangelischen Gottesdiensten den Organisten gibt und ganze Orchester dirigiert – mit selbst komponierten Stücken. Der Klassikmusikliebhaber stieg mit Begeisterung hinab in die Tiefen profaner Musik und in wenigen Minuten verwandelte sich der Garten in einen Orchestergraben.

Wir bliesen auf allem, was auch nur halbwegs dazu geeignet war: auf einem Kamm, auf Gießkannen und auf in Fis, Gis und anderen Tonarten „gestimmten“ Weinflaschen. Der Mann der Gastgeberin, ein begnadeter Handwerker, verschwand in der Garage und kehrte wenige Minuten später mit einer Posaune zurück, hergestellt aus einem Schlauch und einem Trichter. Obwohl sein Versuch, mit einem Bohrer Löcher in den Schlauch zu bohren, fehlschlug, entlockte er dem Instrument gar lustige Töne.

Ich war überrascht über die Toleranz der Nachbarn, die uns gewähren ließen, bis sich die Nacht über Frohnau gelegt hatte. Als Nachbars Hund mit wedelndem Schwanz auf einen Sprung vorbeikam, jaulte er zu unserem Blasorchester. Zum Schluss leerten wir die Flasche mit dem selbst gebrannten Schnaps, die ich mitgebracht hatte. Danach bliesen wir alle aus dem letzten Loch. BARBARA BOLLWAHN