Holocaust-Mathe mit Günter Grass

DEBATTE Nobelpreisträger verrechnet Nazi-Opfer gegen Kriegsgefangene

Günter Grass hat sich verrechnet, eine symbolische Zahl ist dabei herausgekommen. Sechs Millionen deutsche Kriegsgefangene seien in sowjetischen Lagern gestorben, sagte Grass dem israelischen Historiker Tom Segev in einem Interview für die israelische Tageszeitung Ha’aretz.

Segev hat Grass anlässlich der hebräischen Übersetzung seines Romans „Beim Häuten der Zwiebel“ von 2006 befragt, die jetzt erschienen ist. Darin berichtet Grass erstmals über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS. Segev wirft Grass vor, sich und seine Kameraden als Opfer erscheinen zu lassen, wie schon die Passagiere des Naziausflugsdampfers „Wilhelm Gustloff“ aus Grass’ Novelle „Im Krebsgang“. Grass entgegnet, „die Verbrechen fanden nicht ihren Ausdruck im Holocaust und hörten nicht mit dem Kriegsende auf“.

Der Historiker Peter Jahn hat Grass’ Rechnung in der Süddeutschen Zeitung kommentiert. Den Mord an sechs Millionen Juden „mit einem Phantasiebild von sechs Millionen liquidierten deutschen Kriegsgefangenen zu relativieren“, sei erklärungsbedürftig. ULRICH GUTMAIR

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