Cocktailbar statt Urinal

Nach dem Streit über urinierende Obdachlose und Sprinkleranlagen am Spielbudenplatz gibt es einen ersten Lösungsansatz: Eine der Bühnen ist jetzt eine Bar. Das eigentliche Problem ist damit aber immer noch nicht geklärt

Die Bühnen auf dem Spielbudenplatz sind nicht mehr sinnlos. Ihren Zweck erfüllen sie trotzdem nicht. Jetzt strahlen rote Lederstühle an der Stelle, die letzte Woche noch als Urinal für Obdachlose gedient hatte. Spätnachmittags werden dann Möbel und Getränkekisten aufgestellt, und wenn alle Cocktailtrinker nach Hause gehen, kommt auch das Mobiliar wieder in die Heimatkneipe „Hörsaal“ zurück. Tagsüber steht der Tresen mit Bauzäunen abgesperrt da.

Zuvor hatten sich vergangene Woche verschiedene Gruppen im Schmidt-Theater getroffen, um eine Lösung zu finden. „Das ist eine sanfte Möglichkeit, um dem Problem zu begegnen“, sagt Jochen Bohnsack, Platzmanager des Spielbudenplatzes.

Um dem Problem der Obdachlosigkeit zu begegnen, plant die Stadt nun, wieder zwei Sozialarbeiter einzustellen, die Menschen ohne Dach über dem Kopf beraten sollen.

„Dass die Obdachlosen an die Bühne urinieren, ist natürlich nicht in Ordnung“, sagt die Chefredakteurin des Obdachlosenmagazins Hinzt & Kunzt, Birgit Müller. Doch man dürfe nicht übersehen, dass auch andere Kiez-Besucher an Wände und Mauern urinieren. Deshalb fände sie Dixieklos sinnvoll.

Bei aller Euphorie: vorerst handele es sich nur um eine Bühne, die umgenutzt werde, sagt Platzmanager Bohnsack. „Das Ganze war eine spontane Sache. Wir werden jetzt sehen, wie es sich entwickelt und die andere Bühne auch kurzfristig angehen“, sagt Bohnsack. Dass die Bühnen aber nun mal Bühnen sind und keine Gastronomiefläche ist auch ihm klar. Es solle sich um eine Zwischennutzung zwischen Konzerten handeln.

Doch da ist der Haken: Konzerte können weiterhin nicht problemlos stattfinden.

Der ursprüngliche Grund für die Verwaisung der Bühnen war die Auflage, nach 23 Uhr keine laute Musik mehr zu spielen. „Die interessanten Sachen, für die gerade eine große Bühne ja da ist, können weiterhin nicht stattfinden“, beklagt sich Bohnsack.

„Ich verstehe nicht, warum jede Veranstaltung mit 100 Dezibel einhergehen muss“, sagt dagegen Sorina Weiland, Pressesprecherin des Bezirksamtes Mitte. „Wie wäre es mit Unplugged-Konzerten?“ Dass auch die Konzerte durch Lautsprecher übertragen werden, ficht sie nicht an: „Da ist halt Phantasie gefragt.“

Bis auf einige wenige Großveranstaltungen mit Ausnahmegenehmigung werden die Bühnen wohl auch weiterhin zweckentfremdet. Dabei war der Sinn der Sitzung, der – laut Betreibergesellschaft – „Zweckentfremdung durch Obdachlose“ entgegenzuwirken.

Nun hat man eine Zweckentfremdung durch Gastronomie beschlossen. Dabei hatte die Stadt im Architekturwettbewerb sogar für den Bau der Bühnen gekämpft. Eigentlich hatte ein Entwurf gewonnen, der eine Abdeckung des Platzes mit Metall vorsah. Doch die Stadt gab den Bühnen den Zuschlag.STEFANIE HELBIG