piwik no script img

GEHT’S NOCH?Muschi, wat haste jewählt?

WARUM NUR FESTE WAHLLOKALE? SPD-GENERALSEKRETÄRIN YASMIN FAHIMI FINDET MOBILE WAHLURNEN GUT

Du, Bärchen, ick hab heute wat janz Varrücktet jemacht. Ick hab jewählt.“ – „Klar, Muschi. Holsten statt Sterni, oder wat?“ – „Nee, würklich. Ick habe heute ’ne Partei jewählt.“ – „Wat? ’ne Partei? Wie denn ditte?“ – „Na vor Lidl. Da steht doch seit Tagen dit mobile Wahllokal, und heute hat’s mir anjequatscht. Da hab ick eben ’n Kreuz jemacht.“

Quatsch? Quatsch. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls überraschte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi zu Weihnachten mit einer brillanten Idee: der mobilen Wahlkabine. Die könnte überall dort stehen, wo Menschen vorbeilaufen: in Supermärkten, Bahnhöfen, Rathäusern, Bibliotheken. Und das nicht nur an einem einzigen Sonntag, sondern eine ganze Woche lang.

Sie wolle sich mit einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent nicht abfinden, erklärte Fahimi. Zwar haben bei der letzten Bundestagswahl 2013 mehr als 70 Prozent ihre Stimme abgegeben, aber die Zahl derer, die vom Wahlrecht Gebrauch machen, sinkt beharrlich. Also vorbeugen.

Nun gibt es Politikverdrossene, die sich aus Trotz der Gruppe der Wahlverweigerer angeschlossen haben. Aber es gibt auch Leute, die zu bequem sind und immer schon gewählt haben: ihr Liegerecht auf dem Sofa.

Genau an die muss man ran, findet Fahimi. Großartige Idee. Denn irgendwann braucht auch der letzte Faule wieder was zu essen. Aber erhebt er sich dafür aus seinem Fernsehsessel? Oder wählt er zwischen Call a Pizza und China-Express?

Egal, so eine mobile Wahlurne ist trotzdem einen Versuch wert. Vielleicht kann man ja diejenigen bekehren, die man sonst auch nicht erreicht. In diesem Fall sollte die Wahlurne gut postiert sein: zwischen Büchsensuppen und Blauem Würger.

Vielleicht will Fahimi tatsächlich mehr Wahlbeteiligung. Mehr Demokratie. Mehr politische Aufklärung. Vielleicht hoffen Fahimi und ihre SPD auch auf mehr Zulauf in die eigenen Reihen. Es könnte allerdings sein, dass sie sich an dieser Stelle verrechnen.

„Und, Muschi? Wat haste jewählt?“ – „Wat soll ick schon jewählt haben. AfD natürlich.“ SIMONE SCHMOLLACK

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen