Touristenführerin in der Hölle

Piedad Córdoba war verblüfft. Ausgerechnet ihr Erzfeind, Kolumbiens rechter Präsident Álvaro Uribe, machte der afrokolumbianischen Senatorin vorgestern das Angebot, als Vermittlerin zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla tätig zu werden. Die 52-jährige Oppositionspolitikerin willigte ein. Über ihre neue Rolle müsse sie sich erst noch klar werden, räumte sie gegenüber Journalisten ein.

Die streitbare Menschenrechtlerin und Feministin gehört seit Jahren zu den vehementesten Widersachern Uribes. „Alle Wege des Paramilitarismus“ führten zum Staatschef, erklärte sie im März in Mexiko und forderte die Regierungen der Region auf, die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abzubrechen. Für ihre klare Linie hat die studierte Juristin und Mutter von vier Kindern, die seit 1994 für die Liberale Partei im kolumbianischen Senat sitzt, einen hohen Preis bezahlt. Im Jahr 1995 beschuldigte sie den damaligen Bürgermeister ihrer Heimatstadt Medellín, Verbindungen zur Drogenmafia zu unterhalten. Daraufhin explodierten drei Bomben in Salsakneipen ihrer Familie. Vier Jahre später wurde sie 16 Tage von den rechtsextremen Todesschwadronen verschleppt, die ihr vorwarfen, Schatzmeisterin der ELN-Guerilla zu sein. Piedad Córdoba verfasste einen Abschiedsbrief an ihre Mutter, doch dann nahm der Paramilitär Carlos Castaño sein Todesurteil zurück und ließ sie frei.

Córdoba ging mit ihren Kindern nach Kanada ins Exil, wo sie als Hausangestellte arbeitete. Ihre Tochter Natalia verschwand 2004 auf einer Reise nach Mexiko. Natalia wurde aus politischen Gründen ermordet, ist Córdoba überzeugt – ebenso wie ihr parlamentarischer Berater Jaime Gómez, dessen Leiche 2006 am Stadtrand von Bogotá aufgefunden wurde. „Ich könnte Touristenführerin in der Hölle sein“, sagte sie einmal.

In ihrer Arbeit setzt Córdoba sich für die Belange der afrokolumbianischen Gemeinschaften der Pazifikküste ein, die besonders stark von Krieg und Vertreibung betroffen sind. Auch für Frauen, Jugendliche und sexuelle Minderheiten in Kolumbien ist sie ein Sprachrohr. Einen Preis für die beste politische Website Lateinamerikas bekam sie 2005.

Nachdem sie Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez gebeten hatte, sich für eine Lösung des kolumbianischen Geiseldramas einzusetzen, kam jetzt Uribe auf sie zu und gab ihr die Erlaubnis, Kontakt zu den Farc aufzunehmen. Die Guerilla möchte 45 prominente Entführungsopfer gegen 500 inhaftierte Rebellen austauschen. „Ich habe eine gewisse Glaubwürdigkeit“, sagt Piedad Córdoba, „aber zu meinen, ich hätte die Lösung in Händen, wäre vermessen. GERHARD DILGER