Gesteuerte Polizeizeugen

PLÄDOYER Staatsanwalt Lars Mahnke fordert Haftstrafen im Prozess um die Massenschlägerei von Neuwiedenthal – und attackiert den Nebenklageanwalt

„Die Nebenklage hat nicht das Recht, den Ausschnitt der Wahrheit zu bestimmen“

Lars Mahnke, Oberstaatsanwalt

Dreieinhalb Jahre Knast für Amor S., neun Monate Haft auf Bewährung für Avni A. – so lauten die Anträge von Oberstaatsanwalt Lars Mahnke im Verfahren um die Massenschlägerei von Neuwiedenthal am 26. Juni 2010. Mahnke sieht es als erwiesen an, dass Amor S., der erst deeskalierend gewirkt habe, „ausgerastet“ sei, als sein Bruder Ahmet festgenommen werden sollte. Deswegen habe er dem Polizisten Günter J. so einen Fußtritt versetzt, dass „der halbe Schädel weggebrochen“ sei. Der Koloss Avni A. habe zeitgleich mit einem „Tarzan-Schrei“ und einem „Hechtsprung“ dem Beamten Oliver P. in den Rücken getreten.

Mahnke stützt sich auf die Aussage des Zivilfahnders Jörg Sch., der zuletzt die Aussage gegenüber den Verteidigern verweigerte. „Dienstpflichtwidrig“, wie Mahnke betonte, „weil er sich der Befragung durch die Verteidigung prozesstaktisch entziehen wollte“. Dennoch hält Mahnke den Zeugen Sch. für glaubwürdig. Eine Verwechslung schloss Mahnke aus, weil Sch. die Angeklagten seit 15 Jahren kenne. „Und warum sollte er sie zu Unrecht belasten?“, trat Mahnke „Verschwörungstheorien“ entgegen – obwohl der Fahnder Amor S. nach eigenen Angaben zum „Sumpf der Straße“ zählt.

Für Mahnke hat der Prozess „Geschehnisse aufgedeckt, wo es keine Gewinner“ gebe. „Wir werden nur Verlierer haben“, so der Ankläger: Den Angeklagten, den Ruf der Polizei und das Ansehen des Stadtteils Neuwiedenthal. Mahnke übte massive Kritik an der Kammer 28 des Landgerichts, die im Juni den Haftbefehl gegen Amor S. mangels dringenden Tatverdachts aufgehoben hatte. Die drei Richterinnen hatten die Angaben der Polizeizeugen in Zweifel gezogen und dem Hauptbelastungszeugen Jörg Sch. in seinen Aussagen „mangelnde Konstanz“ attestiert.

In seinem Plädoyer ist der Anklagevertreter auch scharf mit Nebenklageanwalt Andreas Karow ins Gericht gegangen: Er habe als Vertreter von Oliver P. das Aussageverhalten der Polizisten „prozesstaktisch und strategisch“ durch Aussageverweigerungen gesteuert und „seine Vorstellungen prozesswidrig dem Gericht aufgedrängt“. Karow habe jedoch „nicht das Recht, den Ausschnitt der Wahrheit zu bestimmen“ und den Prozessbeteiligten „zu erzählen, wie die Welt zu sehen ist“, sagte Mahnke. KVA