piwik no script img

WahlkampfBIG hat den Größten

Man lernte viel und politisierte gerne

Anfangs war es interessant, Wahlprogramme zu lesen, echten Politikern auf der Straße zu begegnen und unseren Bürgermeister zu beobachten, wie er kleine Bärchen an seine AnhängerInnen verteilte. Die Sonne schien, man lernte viel und politisierte gerne. Da ich an der Kreuzung zweier vielbefahrener Straßen wohne, sah ich soviele Plakate wie noch nie.

Irgendwann begann mich aber dieser Wahlkampf zu nerven. In der Nacht hatten Aktivisten der „BIG“-Partei an einem großen Laternenmast fast vor meiner Haustür neun große Plakate übereinander aufgehängt. Alternierend der böse Sarrazin mit schwarzem Balken im Gesicht und der Aufschrift „SPD schafft sich ab“ und das Gesicht von Dipl.-Ing. Ismet Mısırlıolu, dem Landesvorsitzenden der BIG-Partei. Manche nannten den Laternenmast „Marterpfahl“, andere scherzten: „Die BIG-Partei hat den Größten“.

Vereinzelt waren die Plakate der BIG-Partei noch okay; in Massen und kombiniert mit Sarrazin wirkten sie unangenehm. Der Kandidat schien plötzlich auch so stechend zu gucken. So dass man nicht mehr an den eher sozialdemokratischen Teil ihres Programms dachte, sondern an ihre gegen einen „Schwulunterricht“ gerichteten Handzettel, von denen sich Ismet Mısırlıolu eher halbherzig distanziert hatte. Und an das „Achtung schwul und das ist nicht gut so“, das jemand auf das Plakat mit dem SPD-Bezirksbürgermeisterkandidaten Jan Stöß am Marheinekeplatz geschrieben hatte.

Politik – schön und gut, aber die massive Plakatierung störte mich als Fußgänger. Und weil die teils naiv-idyllisch präsentierte Grünen-Kandidatin Heidi Kosche nicht bestimmerisch, sondern nett guckt, fand ich die Grünen zum ersten Mal seit langem wieder gut. Wäre ich auf einer Party mit diesen ganzen Kandidaten, würde ich mich vermutlich neben Heidi Kosche stellen. DETLEF KUHLBRODT

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen