LESERINNENBRIEFE
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Wertvolle Einblicke

■ betr.: „Hauptsache, sie arbeiten“, taz vom 2. 9. 11

Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, verspürte ich das Bedürfnis, den beschriebenen Sachverhalt etwas zu entzerren.

Als eine der mindestens 50 Praktikanten des Auswärtigen Amtes in Berlin gehöre ich zu denjenigen, die sich keineswegs über ihren Arbeitsplatz beschweren müssen. Meine Arbeitszeiten sind verhältnismäßig, meine Aufgaben abwechslungsreich und gehen weit über das übliche „Kopieren“ und „Kaffee kochen“ hinaus (Letzteres habe ich während meines Praktikums kein einziges Mal getan). Auch mich ärgert, dass ich für meine Arbeit weder eine finanzielle Vergütung noch irgendwelche Vergünstigungen am Arbeitsplatz bekomme. Man darf aber in dem ganzen Frust nicht vergessen, dass man wertvolle, ja fast unbezahlbare Einblicke in die Arbeit des Außenministeriums bekommt. Das lässt jedenfalls darüber hinwegsehen, dass wohl die finanziellen Mittel tatsächlich nicht da sind.

Dass im Rahmen der Organisation der Botschafterkonferenz einzelne Praktikanten überbeansprucht wurden, wage ich nicht zu beurteilen. Auf keinen Fall jedoch darf die Lage generalisiert werden, da unter unbeteiligten Zeitungslesern sonst ein falsches Bild entstehen würde. NAME und Anschrift sind der Red. bekannt

Solidarität mit dem Finanzmarkt

■ betr.: „NPD verliert zu wenig“, taz vom 5. 9. 11

Die Überschrift ist doch etwas überraschend. Interessanter wäre vielleicht noch die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung bei 52 % lag. Ergo sind die Nichtwähler die mit Abstand größte Partei. Ist das nur eine Mischung aus Desinteresse und Frustration?

Festzuhalten gilt, dass die größeren Parteien allesamt systemimmanent bleiben und nicht auf den Kern der Dinge, lies: „unser Zinssystem“ kommen. Wenn sogar der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof sagt, dass wir im Kern Solidarität gegenüber dem Finanzmarkt üben, so nähert er sich einer bitteren Realität. Den vielen Christen, die es bei uns geben soll, sei ins Stammbuch geschrieben, dass im Christentum früher Zinsverbot bestand.

KLAUS-G. WALTHER, Reinbek

Voll auf Linie der Finanzwelt

■ betr.: „Krasse Fehleinschätzung“, taz vom 5. 9. 11

Standard & Poor’s liegen daneben mit ihrer Einschätzung, dass Eurobonds Ramschniveau hätten? Ganz im Gegenteil, sie liegen voll auf der Linie der Finanzwelt, für die sie arbeiten! Sie pokern und lassen die Säbel rasseln, mal sehen, wie weit man gehen kann. Imageverlust ist egal, solange man die Macht hat!

Wer es noch nicht gemerkt hat: Wir befinden uns längst im globalen Entscheidungskrieg der Finanzoligarchie gegen hilflos strampelnde Regierungen. Hilflos? Theoretisch ja nicht, denn mit Gesetzen ließen sich die Heuschrecken schneller zähmen als von den Zauderern behauptet (siehe Verbot von Leerverkäufen). Aber in der Praxis wissen die Regierungen offensichtlich nicht, auf welcher Seite sie stehen; zu sehr profitieren zumindest diejenigen der Gewinner-Länder mit ihren Schuldenbergen und den üppigen Konten ihrer Politiker von den „Märkten“. Und alle sind verstrickt in den fatalen Deal zwischen Politik und Finanzwelt: „Sichert ihr uns unsere Gewinne, zahlen wir euch eure Parteien und Wahlkämpfe.“

Mit ernsthaften Bemühungen um eine Kontrolle des Weltfinanzcasinos würden die Politiker also in mehrfacher Hinsicht gegen ihre eigenen Interessen agieren, kurzfristig betrachtet. Und längerfristig denkt offensichtlich kaum noch jemand. Den momentanen Vorteil bis zur letzten Minute nutzen und möglichst fixieren – das ist zumindest hierzulande die Devise, und deswegen passiert seit drei Jahren nichts außer hohlem Gerede. SABINE MIEHE, Marburg

Lobbyismus funktioniert gut

■ betr.: „Klimaschutz? Nicht bei uns!“, taz vom 2. 9. 11

Selten einen argumentativ so dürftigen Kommentar gelesen. Weshalb beginnt der notwendige Klimaschutz nicht bei Waschmaschine, Flachbild-TV, Kühlschrank, Heizungspumpe, Staubsauger, Geschirrspüler etc.? Da darf der Konsument selber entscheiden, obwohl die Verbräuche und das Einsparpotenzial dort erheblich höher liegen als bei der 75-Watt-Birne. Beim Pfennigartikel Glühbirne sind die Gewinnmargen bei Industrie und Handel im Centbereich. Bei den 10- oder 20-mal teureren Energiesparlampen jedoch liegen die Gewinne deutlich höher. Was in der Politik immer noch am besten funktioniert, ist der Lobbyismus. REINHARD HOLZMANN, Windach