Kein Besuch im Land der Gegner

NAHOST Hamas verbietet Waisen aus dem Gazastreifen eine Reise nach Israel. Die Kibbuzbewegung und die Initiative „Eine Kerze für den Frieden und für Brüderlichkeit“ organisierten die Aktion

JERUSALEM taz | Einmal hinter die Grenze gucken wollten 37 Kriegswaisen aus Gaza, doch die Hamas versperrte den Weg. Eine Woche sollten die 12- bis 15-jährigen Kinder mit arabisch- israelischen und mit jüdischen Familien verbringen. „Diese Generation muss den Frieden schaffen, an dem unsere scheitert“, sagt Joel Marschak von der israelischen Kibbuzbewegung.

Marschak organisierte die Aktion gemeinsam mit der Initiative „Eine Kerze für den Frieden und für Brüderlichkeit“ aus der arabisch-israelischen Kleinstadt Kfar Kassem. Der Israeli ist überzeugt, dass die Kinder, die Anfang der Woche am Kontrollpunkt der Hamas, kurz vor dem Grenzübergang Erez, kehrtmachen mussten, doch noch kommen werden. Schließlich habe Hamas ursprünglich dem Unternehmen zugestimmt. „Die neuen Erfahrungen und das Bild von einem anderen Israel wird den Kindern ihr Leben lang bleiben.“

Ijad Bossum, ein Sprecher der Hamas, rechtfertigte die Ausreiseverweigerung für die 37 Jugendlichen und fünf erwachsenen Begleitpersonen aus dem Gazastreifen damit, dass die Gruppe „Siedlungen und besetzte Städte“ hätte besuchen müssen. Die Kultur der palästinensischen Kinder solle „vor einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel bewahrt werden“. Malek Freij von „Kerze für den Frieden“ hält die Begründung für Unsinn. „Israel tötet ihre Väter und Mütter und will die Kinder nun für Propagandazwecke missbrauchen?“, schüttelt er ungläubig den Kopf. Vor sechs Jahren, nach der israelischen Gazaoperation „Gegossenes Blei“, hatte die islamistische Führung in Gaza gut 40 Kinder zu einem ähnlichen Besuch in Israel ausreisen lassen.

Der Krieg im Sommer war mit über 2.000 Todesopfern im Gazastreifen der bisher schlimmste. „Die Kinder sollen erleben, dass es möglich ist, in Frieden zu leben, nicht nur im Krieg“, sagt Marschak. Die ersten Übernachtungen waren in Kfar Kassem geplant. Das Rathaus der Kleinstadt, die vor knapp 60 Jahren Schauplatz eines Massakers wurde, unterstützt die Initiative. Israelische Truppen töteten damals 48 Araber, darunter Frauen und Kinder, die unwissentlich eine Ausgangssperre verletzten.

Im Anschluss an Kfar Kassem wäre die Fahrt nach Ramallah weitergegangen zu einem Empfang bei Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Die letzten Tage sollten die Waisen bei Familien mit gleichaltrigen Kindern in Kibbuzim verbringen, die in der Nähe des Gazastreifens leben. „Diese Kinder werden in 30 Jahren die politische Führung stellen“, sagt Marschak, der hofft, mit seiner Initiative „die Saat für den Frieden zu säen“. SUSANNE KNAUL